GENERAL:
·
Grammar and expression are
mostly, but not always corrected. If it was not clear what the writer wanted to
say/express word order and syntax is kept as it originally was.
·
Names of people differ in the
spelling used by the writer(-s) and could thus be actually spelled differently.
KEY:
(grey) –
personal/explaining comments (I. Bednarz)
(?) – not sure about
transcription, translation or meaning
[…] – unreadable word
[---] – unreadable or cut
passage
G10-12:
Schaafheim, den 7ten November 1858 (?)
Treue
Lieben bis ans Grab,
auch
meine treue Geschwisterliebe lässt nicht zu, dass ich versäume euch zu
antworten.
Lieber
Schwager und Schwester,
euren
Brief habe ich richtig erhalten von dem Pflaumheimer Höfling. Es wurde mir
Sonntag den 2ten Oktober gesagt, dass ich einen Brief von euch
bekomme von dem Pflaumheimer Höfling, da habe ich es nicht mehr abwarten können
bis ich Samstag, den 30ten Oktober früh morgens nach Pflaumheim
gelaufen und habe ihn mir geholt. Der Höfling hat gesagt, er solle den Brief
selbst in meine Hand geben sonst hätte er ihn mir geschickt. Morgen wolle er zu
mir nach Schaafheim kommen. Wir sind beide zu deiner Mutter gegangen und ich
habe ihr diesen Brief vorgelesen und der Höfling hatte ihr dann alles gesagt
wie es bei euch aussieht. Sie hatte aber geweint, aber nicht vor Leid, sondern
vor Freude. Die familiären Verhältnisse will sie euch in ihrem Briefchen
schreiben. Der Höfling war aber sehr vergnügt gewesen und sagte hundertmal „wenn
nun der liebe Schwager und Schwester auch bei uns wären“. Höfling hatte mir
gesagt, ich solle dir schreiben, dass deine Meinung ganz richtig gewesen wäre
mit der Frau, die mit ihm nach Deutschland gereist ist. In Bremen hätte er sie
gar nicht mehr gesehen. Du wirst es jetzt schon wissen wie deine Meinung war:
So vergnügt wie Höfling war habe ich noch keinen vor diesem gesehen. Er hatte
[---]
Lieber
Schwager und Schwester, wir haben dieses Jahr eine große Dürre gehabt, dass der
Weizen nur halb so lang gewachsen ist und auf trockener Wiese wenig Heu und
Grummet, aber doch alles ganz billig, aber unsere Kartoffeln sind ganz gut
geraten und jetzt haben wir schon Schnee.
Nun
will ich euch noch ein paar Worte von der Anna schreiben.
Lieber
Schwager und Schwester, die Anna hat ja noch gar nichts geschrieben, warum soll
ich dann nicht glauben was ihr schreibt. Ich habe ihrer Mutter diesen Brief
vorgelesen, da hat sie aber ihre Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und
nichts gesagt außer „allmächtiger Gott, allmächtiger Gott“. Hätte sie doch in Altheim die Knochen
gebrochen als sie vom Wagen gestürzt ist. Wäre sie doch selig gestorben. Das
erste Unglück habe ich ihr verziehen, weil sie sich von Jugend auf so gut
aufgeführt hat, aber an dem zweiten war sie selbst Schuld. O, wenn ich sie nur bei
mir hätte, ich würde sie von unten bis oben ausbrüllen. So ein Mensch gehört
gar nicht mehr geheilt, ins Wasser geworfen wie es früher auch geschehen ist.
Glaubt nun, dass uns das nicht freut und voraus eine Mutter, wo man doch nichts
hofft als Gutes. Ich habe schon manchmal in der Stille bei meinem Gesell und
Lehrjungen gearbeitet, dass mir die Augen voll Tränen waren über euch und sie
fragten mich was fehlt euch. Ich kann [dann] nichts sagen, ich muss aus meiner
Stube gehen.
Lieber
Gott, meine Frau darf das gar nicht wissen und kein Mensch im Ort. Sie würde
mir es immer vorwerfen. Den Brief haben wir ja gleich verbrannt, das darf ja
kein Mensch wissen. O, wehe dir Betsaida, wehe dir Chorazin (Zitat
Matthäus 11:21). Es wäre besser, dass ein Mühlstein an deinen Hals
gehängt und du ersäuft wärst im Meer da wo es am tiefsten ist.
Lieber
Schwager und Schwester, lasst sie die schlechte Anna meinen Brief lesen oder
lest ihn vor, pfui pfui Teufel, ich könnte als fortmachen, aber ich will mein
Schreiben schließen. Wir wollen uns alle Jahr briefwechseln so lange wir leben.
Noch will ich euch schreiben, dass dem Bruder Georg sein zweiter Sohn gestorben
ist.
Ich
verbleibe euer treuer Freund
Ludwig
Hitschler
Viele
Grüße von uns allen und Gott sei Dank für unsere Gesundheit, das ist das größte
Reichtum. Es ist uns nichts Neues, dass Leute aus Amerika kommen, denn in ganz
Deutschland fast in jedem Ort ist einer gekommen.
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English
translation G10-12:
Schaafheim, November 7, 1858 (?)
Loyal loved
ones to the grave,
Also, my
loyal sibling love doesn’t let me miss to answer you.
Dear
brother-in-law and sister,
I received
your letter correctly from Höfling from Pflaumheim (place in Bavaria). I
was told Sunday, October 2nd that I will receive a letter from you
from Höfling in Pflaumheim, so I couldn’t wait to walk to Pflaumheim on
Saturday, October 30th early in the morning to get it. Höfling told
me he was supposed to hand me the letter in person otherwise he would have sent
it to me and that he wanted to come to Schaafheim to me tomorrow. We both went
to your mother and I read out the letter to her and Höfling then told her everything
about what is going on with you. She then cried but not for sorrow but for joy.
In her small letter she wants to write you about the familial circumstances. Höfling
was very amused and said a hundred times “if only the beloved brother-in-law
and sister were with us”. Höfling told me I should write you that your opinion
was right regarding the woman who travelled to Germany with him. He didn’t see
her in Bremen anymore. You will know now what your opinion was: I haven’t seen
anybody as amused as Höfling was before. He had [---]
Dear
brother-in-law and sister, we had a big drought this year so that the wheat
just grew half its size and on the meadow just little hay and aftergrass/rowen,
but everything quite cheap, but our potatoes turned out quite good and now we
have snow already.
Now I want
to write you a few words regarding Anna.
Dear
brother-in-law and sister, Anna hasn’t written anything so far, so why
shouldn’t I believe what you write. I read out this letter to her mother and
she just threw her hands up in despair and said nothing but “almighty God,
almighty God”. It would have been better if she had broken her bones when she
fell off the wain in Altheim, if she had died in peace. I forgave her the first
misfortune because she behaved so well since her adolescence but the second
misfortune was her fault. Oh, if I just had her here with me, I would scold her
from top to the bottom. A person like this should not recover anymore, she
should be thrown into the water as they did in former times. Now believe us
that it doesn’t please us, especially a mother when you hope for nothing but
the good. I sometimes cry in silence about you when working with my companion
and apprentice boy so that my eyes are filled with tears and they ask me what
the matter is. I then can’t say anything and need to leave the room.
Dear God,
my wife mustn’t read this and no other human being in our place. She would
reproach me for it all the time. We burnt the letter immediately, no one must
know about that. Woe to you, Bethsaida, woe to you, Chorazin (bible
citation Matthew 11:21). It would be better one would attach a millstone
to your neck and drown you at the deepest spot in the sea.
Dear
brother-in-law and sister, let the bad Anna read my letter or read it to her,
ugh, yuck, ugh yuck, I could go on and on but I want to close my letter. Let us
correspond letters as long as we are alive. Also, I want to write you that
brother Georg’s second son passed away.
I remain your
loyal friend
Ludwig
Hitschler
Greetings
from us all and thank God for our health, it is the biggest wealth. It is not
new to us that people come back from America because in almost each place
across Germany somebody came back.