Unsere Deutsche Wurzeln - Our German Roots
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HEIMATBUCH DUNESDORF: [Einleitung ] [Gemeinde] [Geschichte] [Zwangsarbeit in Rußland] [20. Jahrhundert] [Bräuche und die Nachbarschaft] [Geschichten aus dem Zeitgeschehen]

GESCHICHTEN aus dem Zeitgeschehen (DUNESDORF)


KÖNIGSAST - ein Dunesdorfer "Export"

von Paul Binder

Im reichbestückten Weinregal eines Supermarktes fand ich vor einiger Zeit, in 0,7-Liter-Flaschen, die Sorte "Königliche Mädchentraube". Auf dem Etikett ein Zusatz über das Anbaugebiet: Blasendorf. Möglicherweise wissen heute wenige Dunesdorfer, daß die Wurzeln dieser Sorte in unserem Heimatdorf zu suchen sind.

Gewiß, unsere Gemarkung liegt am Rande des Weinlandes und sie hält keinen Vergleich aus mit den berühmten Winzerdörfern Bulkesch, Seiden, Schönau, Bogeschdorf oder Irmesch. Und doch wuchs hier eine Rebe, die bei Winzern als "Dunesdierfer Astwaimer" bekannt war, mit richtigem Namen aber "Königsast" heißt. Offensichtlich waren die Rebhalden südlich der Gemeinde für diese Sorte eine ideale Lage, mit reife- und wachstumsfördernden Bodenverhältnissen. Das Tragholz reifte im Herbst meist besser aus als bei anderen Sorten. Königsast hält starken Frösten stand und trägt bei guter Pflege üppig.

Ein rumänischer Landsmann, Octavian ("Tavi") Bellu, 1922 in Dunesdorf geboren, brachte in den fünfziger Jahren Pfropfreiser von Königsast in das 70 km kokelabwärts gelegene Blasendorf. Schon in den Zwanzigern hatte die Familie Ambrosi ausgezeichnete Lagen ausgemacht und ein berühmtes Weingut aufgezogen, das nach dem letzten Krieg den Grundstock zu der bekanntesten Weinbau-Forschungsstation im Kokelgebiet bilden sollte; es erstreckte sich von Blasendorf und Craciunel über zahlreiche Gemarkungen des unteren und vereinigten Kokelgebietes. Bellu, studierter Önologe und führend im Forschungsbereich Weinbereitung, sollte eine glückliche Hand haben: Die Rebe ließ sich bestens akklimatisieren.

Es war ein Versuch mit beachtlicher wirtschaftlicher Bedeutung. Denn bis heute nimmt die Sorte auf den etwa 500 Hektar Halden des Institutes, einen wichtigen Platz ein. Königsast ist zwar kein "Gewürzwein", wie etwa Muskateller oder Traminer, er zählt eher zu den Tischweinen. Er ist aber frisch, spritzig und bekommt in den besonders guten Blasendorfer Lagen eine eigene Note. Außerdem zählt er zu den produktivsten Sorten: 12 000 Kilo Trauben wurden davon im Durchschnitt pro Hektar gelesen, parzellenweise auch bis zu 22 000 Kilo.

Ein eher heiteres Kapitel liefert das Beispiel ideologisch verseuchter kommunistischer Dogmatik. Die rumänische Bezeichnung "Feteasca Regala" paßte, wegen des königlichen Zusatzes nicht ins ideologische Konzept. So taufte man die Sorte, nach dem Herkunftsort, einfach in "Danasana" um. Für die Dunesdorfer vielleicht schmeichelhaft, aber im Exportgeschäft war der neue Name eher ein Hemmnis. So kehrte man bald zum alten (rumänischen) Namen zurück, der sogar die schwärzeste politische Diktatur überdauert hat.

Auf den für den deutschen Sprachraum bestimmten Flaschenetiketten wird die Rückübersetzung aus dem Rumänischen verwendet, also "Königliche Mädchentraube". Klingt natürlich nicht übel und wirkt vor allem werbeträchtig. Aber manchem unter den siebenbürgisch-sächsischen Winzern würde der "richtige" deutsche Namen Königsast besser in den Ohren klingen.

Wie dem auch sei, wenn ich mir hier in Deutschland ab und zu eine Flasche mit diesem erfrischenden Gewächs aus der alten Heimat genehmige, schließe ich die Augen und murmele in Gedanken "Dunnesdierfer Astwaimer".

Gefährliches Spiel: Munition im Feuer

von Paul Binder

Jeder von uns war mal im Lausbubenalter. Der eine hat weniger, der andere mehr Streiche auf dem Sündenkonto. Wir waren nur eine Handvoll Jungen, jedoch genug um eine echte Clique zu bilden. Die allgemeine Lage gegen Ende und auch nach dem Krieg war das richtige Klima für Halbwüchsige, allerhand schlaue Unternehmungen zu starten, abenteuerlichen Taten nachzugehen. Wir waren zwischen elf und 14 Jahre alt.

Eines unserer "Interessengebiete" waren Waffen und Munition. Einiges hatten westwärts ziehende Russen liegengelassen, anderes konnte mann sich im Tauschhandel von den Zigeunerkindern beschaffen. Wir hatten ein kurzröhriges Gewehr gefunden und suchten vergebens die passende Munition. Die Waffe kam uns abhanden, geschossen haben wir damit nie. Also blieben die verschiedenen Gewehr- und Kleinkaliberpatronen übrig. So suchten wir auf dem Feld einen geschützten Platz, fachten ein Feuer an und warfen die Geschosse in die Glut. Aus sicherer Entfernung erfreuten wir uns am Geknatter und genossen die prickelnden Rückenschauer. Oder wir legten Kugeln auf die unterste Kellertreppe und ließen schwere Steinbrocken draufplumpsen, während wir uns schnell in Sicherheit brachten.

Aber an einem Sonntag wurde es knapp. Im Garten der Familie L. (Der Vater war in Rußland), spielten wir wiedereinmal mit unserem "Arsenal". Der schlaueste hatte die Idee: Ein Nagel wurde in eine Latte getrieben, die Kugel mit der Spitze in den Spalt eines Zaunprosten gedrückt. Dann kam die Nagelspitze auf den Patronenzünder, einer hielt die Latte fest, ein anderer schlug darauf. Als die Patrone explodierte, flog die Kugel nicht, wie beabsichtigt, durch den Pfosten, sondern drehte sich um 180 Grad und ...pfiff haarscharf am Ohr von Misch, einem der jüngsten unter uns, vorbei. Wenn ich mich recht erinnere, hatte unser Wagemut von dem Datum an einen Dämpfer erhalten.

Tödliche Granate

von Paul Binder

Weniger glimpflich verlief ein anderer Fall. An einem der ersten Apriltage des Jahres 1945 spielte ein etwa zwölfjähriger Zigeunerjunge mit einer Granate. Er hockte am Straßenrand vor den Anwesen der Familien Baier und Lingner, unterhalb der "Letchefbräck". Mit einem harten Gegenstand schlug er auf die Granate ein.

Alfred, ein damals 17jähriger Bursche (inzwischen 52jährig gestorben), kam gerade heim. Offensichtlich war er sich des gefährlichen Spiels nicht bewußt, als er an dem Jungen vorbeiging. Gerade als er das Gassentürchen von innen schließen wollte, krachte es. In der nächsten Sekunde - ein grauenvolles Bild: Der Junge war völlig zerrissen worden, Körperteile lagen verstreut umher. Alfred hatte Splitter abbekommen, auch in die Lebergegend. Seine Verletzungen waren nicht ungefährlich. Aber mit einem Pferdewagen wurde er nach Schäßburg gebracht, sofort operiert und gerettet.

Das war der einzige so folgenschwere Unfall beim gefahrlichen Spiel mit Kriegsmaterial, der sich in Dunesdorf ereignete. Auch dieser wäre natürlich zu vermeiden gewesen. Aber andersherum kann man sagen, es hätte auch mehr passieren können. Rumänische Soldaten, vor allem aber die russischen (gleich zweimal, beim Einmarsch und beim Rückzug), hatten manch brisantes Gerät liegengelassen oder es war ihnen einfach stiebitzt worden. Und außer unserer kleinen Bande gab es deren viele unter den wesentlich zahlreicheren Rumänen- und Zigeunerkindern.

Bibel Verraucht

von Paul Binder

Viele Raucher haben "damit" früh angefangen. Gerade in den Nachkriegsjahren bot sich den damals Halbwüchsigen Gelegenheit, aus Neugier mal zu probieren. Während wir Kinder von den einquartierten deutschen Soldaten ab und zu eine Schokolade kriegten, waren die im Herbst 1944 einmarschierten Russen höchstens in Sachen Tabak ähnlich freigiebig. Das gelbe Kraut, "Machorka " genannt, trugen sie meist lose und in Mengen in ihren tiefen Hosentaschen. Zum Zigarettenwickeln nahmen sie gewöhnlich Zeitungspapier. Aber Zeitungen waren knapp. So waren die Russen außer auf junge Frauen und Getränke auch auf Papier scharf.

Wer nun von uns die Idee hatte, ist heute kaum noch auszumachen. Jedenfalls kam der P. eines Tages mit einer Bibel daher. Seine Großmutter hatte deren zwei im Haus und eine davon bestand aus hauchdünnen Seiten, fast wie "original" Zigarettenpapierchen. Kurz, ein Teil davon wurde an die Russen verscherbelt, gegen einen ansehnlichen Haufen Machorka. Den anderen Bibelteil hatten wir dann selber "verraucht".

Gewissensbisse sind dem P. wegen dieses Sakrilegs erst später gekommen, als er besser zwischen Gut und Böse unterscheiden konnte. Noch Jahre später, die Großmutter war längst tot, rief er sich oft die Szene ins Gedächtnis, wie er scheinheilig der Großmutter beipflichtete, als diese auf die "Heiden aus Rußland" schimpfte. Sie glaubte nämlich, die hätten die Heilige Schrift mitgehen lassen. Was ja zur Hälfte auch stimmte.

 

DER PECHVOGEL VON DUNESDORF

von Michael Fleischer

Ich bin Dunesdorf geboren. Schon im zarten Alter von etwa vier Jahren war ich zum erstenmal blau. Mutter brachte vom "Pali-Braen" zwei volle Krüge heim und ging mit einigen leeren gleich wieder weg. Ich schlief in der Küche. Dann erwachte ich und machte mich über einen Krug her.

Als meine Mutter heimkam fand sie mich am Boden, blau angelaufen. Sie schrie um Hilfe, Nachbar Lingner-Gerch stürmte herbei. Sie flößten mir warme Milch ein. So wurde ich der Nachwelt erhalten.

Ein paar Jahre später machte ich mich beim winterlichen Schweineschlachten "nützlich ". Mutter, Tanten und die Großmutter hatten gerade die Därme für die verschiedenen Würste geputzt. Sie gingen nochmal raus um die Därme für die Preßwurst zu reinigen. Ich war allein in der Küche und mit meinem ungestümen Drang nach Neuerungen ging ich daran, das schon gehackte Wurstfleisch zu vermehren: Ich steckte die Därme in den Fleischwolf und drehte sie durch. Folglich mußte meine Mutter in der Nachbarschaft "Baalen" borgen.

Als ich größer wurde, bekam ich Schlittschuhe. Einmal, das Eis im "Graben" war wohl zu dünn, brach ich bis zu den Knien ins eiskalte Wasser ein. Ich schlich ungesehen ins Haus, schlüpfte aus den Stiefeln und steckte diese in die Bratröhre; damit sie rasch trockneten, legte ich noch gut Holz auf. Dann ging ich zu Bett.

Als meine Mutter vom Melken kam, schlug ihr Rauch und Qualm entgegen. Mit Mühe entdeckt sie die Ursache, holte die verkohlten Stiefel aus der Röhre, riß schnell die Fenster auf - so bin ich zum zweitenmal gerettet worden.

Im Vorschulalter befindliche Jungen durften auch schon zum österlichen Bespritzen gehen. Das für mich bestimmte Parfüm hatte ich schon früher gefunden und es bis Karfreitag an die Mädchen verspritzt. Das würde für mich eine gute Tracht Prügel geben, meinte ältere Jungen und so kriegte ich eine Heidenangst. Ich machte ein Loch in den Strohschober hinter der Scheune, verkroch mich darin und - schlief ein. Es wurde dunkel, Mutter suchte mich überall. Männer suchten alle mir zugänglichen Brunen ab - doch ich blieb verschollen. Ein Uhr nachts bin ich erwacht und hervorgekrochen. Die Rumänen gingen gerade zum Auferstehungsfest in ihre Kirche (īnviere) und eine Rumänin brachte mich zu meinem Großvater. Alle haben sich gefreut, daß ich wieder da war.

Den folgenden Streich habe nicht ich begangen, sonder der Will M. Der sollte nämlich am Ende der Gemeinde, bei dem "Hanjdsbrannen", einen Acker eggen. Plötzlich kam ihm der Zenti, der Dorftrottel in die Quere. Er nahm die "Hurt" vom Wagen und legte sie zum Beschweren auf die Egge. Weil die aber nicht schwer genug war, band er den Zenti oben drauf. Der hat dann dermaßen geschrieen, daß die Büffel vor Schreck zu rennen begannen. Sonst eher gemächlich, konnten die Tiere nur mit Mühe gebremst werden.

 

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