Unsere Deutsche Wurzeln - Our German Roots
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Heimat Schlesien

ausgeschnitten von einer Schlesischen Zeitung, z. 1980

Bereits um das Jahr 900 vor der Zeitrechnung bewohnten südgermanische Völker das Land an der Oder, die dieses Land von der Quelle an durchzieht. Einer dieser germanischen Stämme waren die Sillinger, die dem Land ihren Namen gaben. Ihren heiligen Berg nannten sie den Silling — das ist der Zobten — von dem der Name Schlesien abgeleitet ist. Zur Zeit der großen Völkerswanderung in Europa um das Jahr 375 zogen diese germanischen Stämme weiter nach Süden bis Nordafrika und in den Kaukasus. Es sickerten nun in das fast leergewordene Land slawische Stämme nach, jedoch blieb das Land nur dünn besiedelt. Das slawische Herzogsgeschlecht der Piasten teilte das Land in verschiedene Herzogtümer unter den Familienmitgliedern auf. Bereits um das Jahr 1000 und danach heirateten Piastenherzöge deutsche Fürstentöchter, wie auch westliche Fürsten söhne Töchter der Piasten ehelichten. So war die Frau des Herzogs Wladislaw die Schwester des Stauferkaisers Konrad III., der in Rothenburg ob der Tauber ein Königsburg errichtete. Als im Jahr 1146 Wladislaw wegen eines Familienstreites fliehen mußte, ging er auf die Altenburg in Thüringen. Aber seine beiden Söhne Boleslaw und Miesko schickte er zu seinem Schwager Kaiser Konrad III., und sie wurden mit dessen Söhnen Heinrich und Friedrich — letzterer "das Kind von Rothenburg" genannt — 17 Jahre lang in deutscher Lebensart und Kultur erzogen. Kaiser Konrad konnte zunächst nicht die vertriebenen Herzogssöhne in ihr Land zurückführen, da er bereits einen Kreuzzug vorbereitet hatte. Aber sein Nachfolger und Neffe Kaiser Barbarossa zog im Jahre 1163 gegen Osten und setzte die beiden Piastensöhne in ihr rechtmäßiges Erbe ein. Boleslaw wurde Herzog von Niederschlesien und Miesko Herzog von Oberschlesien. Da sie deutsch erzogen waren, brachten sie deutsche Kultur und deutsches Recht in das Land. (Madgdeburger Stadtrecht.)

Damit wurde das Land an der Oder deutsch, und so stand gewissermassen die Wiege Schlesiens in Rothenburg ob der Tauber! Boleslaw nannte seinen Sohn Heinrich nach des Kaisers Sohn, mit dem er aufgewachsen war. Dieser holte sich im Jahre 1196 die Tochter Hedwig aus dem Geschlecht der Grafen von Andechs-Meran, die im Kloster Kitzingen erzogen wurde zur Frau. Hedwig erkannte bald, daß das Land an der Oder fast menschenleer war, und sie wußte auch, daß es nur durch Menschenhand nutzbar gemacht werden konnte. Deshalb schickte sie Werber in ihre Heimat und insbesondere in das Frankenland, um zweite und dritte Bauernsöhne, wie auch Handwerker und willige Siedler in ihr Land zu holen. Hierbei unterstützte sie tatkräftig ihr Bruder Ekbert, der Bischof von Bamberg war. Die neuen Siedler zogen mit Frauen und Kindern, den eisernen Pflug mitnehmend, den die Slawen nicht kannten, 1000 km durch das Thüringer Land nach Schlesien. Sie rodeten die Bäume und machten das Land urbar. Sie gründeten 1,200 Dörfer und 100 Städte. Vielen ihrer neuen Siedlungen gaben sie die Namen ihrer Herkunftsorte. Da gab es nun mehrere Alzenau, Frankenstein, Frankental, Waldenburg, Hirschberg und auch zwei Orte mit dem Namen Rothenburg und viele Namen, denen wir hier in Franken immer wieder begegnen. Schlesien aber wurde ein fruchtbares Land und aus verschiedenen deutschen Stämmen wurde im Laufe der 700 Jahre schlesischer Geschichte der schlesische Mensch, der Schlesier!

Johann Wolfgang von Goethe nannte Schlesien "das zehnfach interessante Land". Es ist ein Land, das alle Landschaftsstrukturen — außer Küstenland — aufzuweisen hat: Mittelgebirge z.T. mit Hochgebirgscharakter, Flußtäler mit fruchtbarem Ackerland und rechts der Oder große Waldgebiete. Vor allem aber besitzt das Land reiche Bodenschätze, voran die großen Kohlenreviere in Oberschlesien und im Waldenburger Bergland. Schlesien hatte eine vorbildliche Landwirtschaft und war mit seiner Produktion ein landwirtliches Überschussgebiet. Im Vorgebirge blühte die Leinenindustrie, wie auch die Glasindustrie im Riesengebirge und im westlichen Teil des Landes.

Viele Geistesgrößen, Wissenschaftler und Kunstschaffende stammen aus diesem Lande; man denke nur an Gerhart Hauptmann, Angelius Silesius, Martin Opitz und viele andere, wie auch den Mystiker und Theosophen Jacob Böhme. An der Universität Breslau wirkten von Bergius, der die Kohle verflüssigte, Haber, der im Haber-Bosch-Verfahren den Stickstoff aus der Luft gewann. Prof. Ehrlich entdeckte das Salvarsan und Prof. Sauerbruch schuf während seiner Tätigkeit in Breslau die Unterdruckkammer, die erstmals die Öffnung des menschlichen Brustkorbes ermöglichte. Der große Baumeister Langhans schuf nicht nur in Schlesien großartige Bauwerke, sondern auch in Berlin das Brandenburger Tor, das Schloß Belvedere und das Schloßtheater. Das Schloß des Prinzen Heinrich in Kamenz wurde von dem in Neuruppin geborenen Baumeister Schinkel erbaut und galt mit seinen 4 Türmen als ein Wahrzeichen. Adolf v. Menzel war der große schlesische Maler deutscher Geschichtswerke; der Begründer der Gewerkschaften — Lassalle — war ein Breslauer. Der Freiheitskampf Preußens gegen die Besetzung Europas durch Napoleon begann in Breslau. Der " Aufruf an mein Volk", für Friedrich Wilhelm III. von Reg.-Präs. von Hippel verfaßt, die Aufforderung Prof. Steffens an die Studenten zur Gründung der Freikorps, denen auch der große schlesische Romantiker Joseph Freiherr von Eichendorf angehörte, weisen nach Breslau, wie auch das "Eiserne Kreuz" hier gestiftet und in Gleiwitz gegossen wurde. Das schlesische Land hat große Soldaten hervorgebracht, die z.B. General York und General Diebisch, die die Befreiungskriege durch die Konvention von Tauroggen einleiteten. Marschall Blücher, Manfred von Richthofen und Hans Ulrich Rudel gehören zur deutschen Geschichte. Nachzutragen wäre noch, daß es die ersten deutschen Siedler, Bergknappen und Ritter waren, die am 9.April 1241 in der Schlacht auf der Wahlstatt bei Liegnitz den Ansturm der Mongolen aufhielten und damit Europa retteten.

Der unglückselige Krieg von 1939-1945, der die Niederlage Deutschlands infolge der vielfachen Übermacht der Alliierten brachte, wurde zum schwersten Schicksalsschlag in der deutschen Geschichte. Ein Drittel Deutschlands, nämlich die deutschen Ostgebiete, mußte an Polen abgetreten werden, und damit wurde auch das 700 Jahre deutsche Schlesien nach den Beschlüssen von Jalta durch Stalin, Roosevelt und Churchill im "Potsdamer Abkommen" zunächst bis zu einem Friedensvertrag "unter polnische Verwaltung" gestellt. Die Polen haben es jedoch entgegen diesem Vertrag in ihren Staatsverband eingegliedert. Was noch niemals in der Geschichte der europäischen Völker — außer im bolschewistischen Rußland — getan wurde, geschah hier: 4.5 Millionen Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben und allen Hab' und Gutes beraubt. Nur einen Teil der Schlesier behielten sie im Lande, soweit sie zur Aufrechterhaltung der Bergwerksbetriebe benötigt wurden und um die Industriegebiete in Gang zu halten, z.T. auch, um die Landwirtschaft weiterzuführen.

So sind jetzt noch rund 270,000 Schlesier in unserer schlesischen Heimat. Den dort Verbliebenen wurde aber nicht gestattet, ihre deutsche Muttersprache zu sprechen und sie ihren Kindern zu lehren. Keine deutsche Schule durfte bestehen und kein Gottesdienst in deutscher Sprache gehalten werden. Und das, obwohl diese Rechte international in allen anderen Ländern Volkstumsminderheiten zugestanden werden. Die Folge davon ist, daß z.B. der Tierarzt Peter Macha aus Oberschlesien als geborener Deutscher seine Muttersprache nicht beherrscht. Um sie zu erlernen, absolviert er einen Deutsch-Kursus am Goethe-Institut in Rothenburg, weil die Kenntnis der deutschen Sprache zum Aufbau einer Existenz in der Bundesrepublik Deutschland unumgänglich ist. Viele, die noch den Wunsch haben, zu ihren deutschen Landsleuten nach hier zu kommen, werden glücklich sein, wenn ihnen hier die notwendige Unterstützung zuteil wird. Aber nicht nur materielle Hilfe ist entscheidend, sondern die volle Anerkennung als Mitmensch in der großen Gemeinschaft der deutschen Landsleute. Menschliche Wärme und christliche Nächstenliebe sind es, die den Spätaussiedlern das Land hier zur neuen Heimat werden läßt. Sie mögen sich immer der Worte des Dichters Adalbert Stifter erinnern: "Laß dir die Fremde zur Heimat, nie aber die Heimat zur Fremde werden!"

Schlesien glückauf!

Gerhard Köbe,
Rothenburg o.T.,
Bundesrepublik Deutschland


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