Unsere Deutsche Wurzeln - Our German Roots
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DIE GESCHICHTE DES DORFES GOLLSCHAU, KR. STREHLEN

Von Lehrer Paul Szyszka, in Gollschau

Wer die Heimat erforscht,
dient der vaterländischen Geschichte.

I. Teil. Das Dorf Gollschau bis zum Jahre 1740
II. Teil. (1937) Gollschau zur Zeit Friedrichs des Großen
III. Teil. "Urbarium von dem Gräflich von Zierotischen Fidei-Commiß-Guthe Gollschau im Nimptscher Kreise"
. . . Cap. I. Geld- und Naturalzinsen
. . . Cap. II. Von den Diensten
. . . Cap. III. Von der Gemein-Arbeit
. . . Cap. IV. Vom Dienen des Hofgesindes
. . . Cap. V. Von besonderen Prästandis (Pflichtleistungen)
. . . Cap. VI. Von besonderen des Dominii in Ansehung der Unterthanen
. . . Cap. VII. Von den Nutzungen, welche die Unterthanen zu genießen haben
IV. Teil ( 1939) Gollschau wird von der Erbuntertänigkeit frei
V. Teil. (1940) Gollschau im 19. Jahrhundert
. . . 1. Ein Gollschauer Bauer wird seines Glaubens wegen verfolgt
. . . 2. Das Notjahr 1847 und das Revolutionsjahr 1848
. . . 3. Das Kriegs- und Cholerajahr 1866
. . . 4. Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71
VI. Teil. (1941) Die frühere Lehns- und spätere Fideikommißherrschaft Prauß und ihre Besitzer im Laufe der Jahrhunderte bis zum Jahre 1923
. . . Die Borschnitze als Besitzer von Prauß, 1295-1688
. . . Die Familie von Lilgenau als Besitzer von Prauß 1672-1707
. . . Die Grafen von Zierotin als Besitzer von Prauß 1707-1923
. . . Auflösung der Herrschaft Prauß
Gollschau im 20. Jahrhundert

Flurnamen der Gemarkung Gollschau, Kreis Strehlen
Gollschau in der Statistik (Dr. H. D. Loebner)
Die "wüsten Hufen" in Gollschau (Von Rektor Günther, Strehlen)

Heimatblatt, Okt 1977- März 1979 (18 Fortsetzungen).

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IV. Teil ( 1939)
Gollschau wird von der Erbuntertänigkeit frei.

Aus dem Inhalt des im vorigen Teil behandelten Urbariums von Gollschau geht deutlich hervor, daß die soziale Lage der Gollschauer Bauern von jeher nicht rosig war. Und an diesem unsozialen Zustande hat auch das Urbarium von 1786, ausgenommen vielleicht einige kleine Erleichterungen, nichts geändert, sondern die den Bauernstand so schwer drückenden Zustände und Verhältnisse wurden vielmehr dadurch auf "ewige Zeiten" festgelegt. Tatsache ist, daß die Lage der Bauern in Schlesien, trotz aller ehrlichen Bemühungen der preußischen Könige, am Ausgang des 18. Jahrhunderts nicht wesentlich anders war, als an seinem Beginn. Noch stand die Erbuntertänigkeit als ein stolzer Bau da, äußerlich scheinbar fester denn je, nachdem auch das Allgemeine Landrecht ihn wieder zusammengefügt hatte. So ist es auch nicht verwunderlich, daß die Gollschauer Bauern ihren nunmehrigen urbarialen Verpflichtungen gegen die Herrschaft Prauß nur sehr ungern und nachlässig nachkamen, so daß der herrschaftliche Justiziarius Uber sen. in Breslau sich veranlaßt fühlte, an 30. Juni 1804 darüber eine umfangreiche Klageschrift an den König zu richten. Darin heißt es: "Ohngeachtet auf der ganzen aus 8 Dorfschaften bestehenden Herrschaft Prauß nicht mehr als 8 Bauern und zwar zu Gollschau existieren, so haben doch diese 8 Bauern wegen ihrer beständigen Widersetzlichkeit bei denen zu leistenden Spanndiensten mir seit 1770 bis jetzt und also durch 34 Jahre mehr zu schaffen gemacht, als alle übrigen Klassen der Untertanen von der ganzen Herrschaft." An einer anderen Stelle derselben Klageschrift lesen wir:"Seit dieser Zeit haben die 8 Bauern ihre Dienste sehr unordentlich verrichtet." Und an dritter Stelle klagt er wieder: "Ohngeachtet ich nun es an Ermahnungen und Drohungen, auch kleinen Strafen nicht habe fehlen lassen, so ist es doch geschehen, daß diese 8 Bauern bis zu dem am 30. Dezember 1801 erfolgten Ableben des vorigen Wirtschaftlers Tix mit mehr als 7000 Fuhren seit einigen Jahren im Rückstande verblieben." Nur die drückende Notlage muß die 8 Gollschauer Bauern zu einer solchen Handlungsweise ihrer Herrschaft gegenüber getrieben haben, daß nicht einmal Strafen auf sie bessernd wirken konnten! Und wie muß es diese Bauern erst erbittert haben, als de Haupt-Urbarien-Kommission in Breslau, die das Urbarium von 1786 bestätigte, in ihrem Begleitschreiben noch besonders darauf hinzuweisen sich verpflichtet fühlte. "daß solches (Urbarium) von nun an bis zu ewigen Zeiten die einzige Richtschnur und Bestimmung des ganzen gegenseitigen Verhältnisses zwischen desmaligen Dominio und den Untertanen sein sollte".

Aber kann Menschenwerk ewige Zeiten bestehen? Dieser scheinbar so unerschütterliche Bau der Erbuntertänigkeit, der aufs innigste mit der Dreifelderwirtschaft verknüpft war, war doch schon stark unterminiert, und ein leichter Anstoß von außen konnte ihn stürzen. Die Dreifelderwirtschaft war eben überlebt. Eine intensivere Wirtschaftsweise und der Anbau neuer Kulturpflanzen (Kartoffeln) strebten mit aller vorwärts, sprengten schließlich die alte Wirtschaftsform und alles, was mit ihr zusammenhing und machten sie mit allen ihren Nebenerscheinungen unmöglich. Es ist gar nicht so abwegig, wann heute behauptet wird, daß der Kartoffelbau die Voraussetzung zur Steinschen Bauernreform mit ihrer Beseitigung der Grundhörigkeit und der Leibeigenschaft war. So brach sich eine ganz neue Verhältnisse schaffende Zeit immer stärker Bahn, die schließlich in Preußen alles Veraltete über den Haufen werfen sollte. Freilich mußte das preußische Volk zuvor noch eine Stufe der tiefsten Erniedrigung und Läuterung verwinden, ehe sich die Zeit der Erneuerung und Erhebung entgültigen Eingang verschaffen konnte. Es kam die für Preußen so demütigende Franzosenzeit der Jahre 1806 und 07. Ihr auf dem Fuße folgte da erst die Zeit der geistigen Erhebung und schließlich auch die der militärischen Befreiung von 1813 bis 1815. Aber gerade die Zeit zwischen den beiden Kriegen, die Zeit der Läuterung und geistigen Erhebung war die ausschlaggebendste; denn ohne sie wäre es wohl kaum zu einem Befreiungskriege und seinem siegreichen Ausgange gekommen.

Der Minister Freiherr von Stein hat die Zeichen der neuen Zeit mit aller Klarheit erkannt, ihm haben wir es zu verdanken, daß die bisherige Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse endlich zum Stillstand kam und die neue Zeit mit ihren Marksteinen — Bauernbefreiung, Selbstverwaltung der Städte, Gewerbefreiheit, Volksheer — ihren Einzug halten konnte. Sein Werk war das berühmte Edikt vom 9. Oktober 1807, das die grundlegende Bestimmung enthält: "Mit dem Martinitage 1810 gibt es nur freie Leute." Dieses Edikt leitete die gewaltige soziale und wirtschaftliche Reform ein. Mit der Schaffung eines freien Bauernstandes, als dem notwendigsten und wichtigsten Problem der Zeit, wurde zu allererst begonnen. Dieser dritte Stand, der bisher dem Staate uninteressiert, ja sogar ablehnen gegenüberstand, sollte sich nunmehr in den Preußischer Staat als große Staatsbürgergemeinschaft eingliedern und am Wiederaufbau tatkräftig mitwirken. Dazu war der nur ein völlig freier und leistungsfähiger Bauernstand befähigt. So verlangte Freiherr von Stein für die Bauern mit allem Nachdruck: Aufhebung der Erbuntertänigkeit, Ablösung der Frondienste und Fronlasten, Ausstattung mit Grundeigentum und endlich freie Eigentumsverfügung. Dadurch hat er sich in den Herzen aller Bauern der damaligen Zeit ein bleibendes Denkmal gesetzt, und nicht mit Unrecht wurde er "der Guten Grundstein, der Ehre Eckstein, aller Deutschen Edelstein" genannt. Freilich hatten auf der anderen Seite diese großen Bauernreformen viele und starke Gegner, die alle aus dem Lager der Großgrundbesitzer waren. Ihr Haß gegen den Bauernbefreier war grenzenlos. Diese Reaktionäre versuchten mit allen ihnen zu Gebote stehenden erlaubten und unerlaubten Mitteln, namentlich unter Steins Nachfolger, dem Staatskanzler von Hardenberg, die neue Entwicklung zu hindern oder gar rückgängig zu machen. Aber die geplanten Reformen waren in dieser Richtung so nachhaltig festgelegt, daß sie nach Steins kurzer Wirksamkeit doch Wirklichkeit werden mußten. So ging sein Werk doch, wenn auch langsam, aber stetig fortschreitend, seinen Weg. Im Jahre 1810 wurden die Bauern auch von den Vorspanndiensten befreit. Bis dahin konnten nämlich die Beamten zu ihren Dienstreisen Pferde von den Bauern beanspruchen. 1811 wurde dem Bauernstande ein eigener Besitz begründet. Die zu Diensten verpflichteten Bauern traten als Ablösung ihrer Dienstleistungen einen Teil ihrer Ländereien an die Herrschaft ab, behielten aber den anderen Teil als freies Eigentum. Über diesen konnte der Bauer verfügen, ihn verkaufen, verpachten, teilen, vererben. Das alles durfte er vorher ohne Zustimmung des Gutsherrn nicht tun.

Doch wurde der weitere Fortgang aller dieser eingeleiteten Bauernreformen durch ein gewaltiges Geschehen unterbrochen: den Befreiungskrieg. Ehe wir nun von den umfangreichen Veränderungen jener Zeit sprechen, an denen Gollschau teil hatte, sei vorher noch einiges über diese große und erhebende Zeit gesagt. König Friedrich Wilhelm III., der nach Breslau übergesiedelt war, erließ von hier aus am 17. März 1813 den denkwürdigen "Aufruf an mein Volk". Dieser verhallte auch in Schlesien nicht ohne Erfolg. Die Provinz hatte die Franzosenzeit zur Genüge kennengelernt. Sie brachte mit flammender Begeisterung ihre Opfer an Gut und Blut für die Befreiung des Vaterlandes dar, stellte sie doch bis zum Jahre 1813 bei einer Bevölkerung l 700 000 Seelen allein 96 000 Mann, so daß also auf 17 Einwohner ungefähr ein Krieger kam. Die Provinz Schlesien nahm also an diesem Kriege besonders großen und lebhaften Anteil. In den Verlauf des ersten Teiles des Befreiungskrieges griffen zwei Ereignisse in Schlesien entscheidend ein: l. der von Napoleon trotz seines Sieges bei Groß-Görschen am 4.Juni 1813 in Poischwitz bei Jauer abgeschlossene Waffenstillstand, der es den verbündeten Preußen und Russen gestattete, ihre Streitkräfte zu ergänzen und zu verstärken und England sowie Österreich für sich zu gewinnen, und 2. der am 26. August in der Schlacht an der Katzbach errungene Sieg Blüchers über die Franzosen. Auch die Ortschaften des früheren Kreises Nimptsch wurden durch die Franzosenzeit und den Befreiungskrieg erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Am 31. Dezember 1806 plünderten 8000 Württemberger und Bayern den Ort Jordansmühl. 1807 rückten französische Truppen (Bayern) in Prauß ein. Während des Waffenstillstandes vom Juni bis August 1813 lagen Russen in den Dörfern des Kreises im Quartier. Auch Gollschau hatte seine russische Einquartierung. Am Nordwesteingang des Dorfes hatten sie ihre Zeltlager aufgeschlagen, was später gefundene russische Münzen aus damaliger Zeit bezeugen. Die Russen mögen sich gegen die Dorfbewohner nicht besonders fein benommen haben. Darum wurden sie von die diesen auch "Türken" genannt, und ein von ihnen benutzter Brunnen im Orte heißt heute noch "der Türkenbrunnen''. Auf den Gedenktafeln der evangelischen Kirche in Prauß sind aus dem ganzen evangelischen Kirschspiel 52 Krieger verzeichnet, die am Befreiungskriege teilgenommen haben. Von diesen 52 Kriegsteilnehmern starben sechs den Heldentod für das Vaterland. Die Gemeinde Gollschau hatte aber keine Kriegsgefallenen zu betrauern.

Nach siegreich beendetem Befreiungskriege ging nun auch die Ortschaft Gollschau daran, sich auf Grund der bestehenden Gesetze allmählich von der Erbuntertänigkeit zu befreien und eine selbstständige Gemeinde zu werden. Das dringlichste Problem, das der allerersten Lösung bedurfte, war die Flurbereinigung, denn die bisherige "Handtuchstreifen-" oder auch "Strumpfbändelwirtschaft" hatte ihre sehr großen Mängel und Nachteile und verlangte dringend nach einer umfassenden Änderung. Die Separation oder Gemeinheitsteilung wurde deshalb auch im Jahre 1819 zu allererst in Angriff genommen. Sie wurde in Gollschau von dem Königlichen Kammer-Condukteur Karl Schmidt aus Brieg auf Grund eines zwischen ihm, dem Dominium und den Bauern von Gollschau abgeschlossenen Vertrages durchgeführt. Der Rezeß über diese Neuregelung der Gemarkung wurde allerdings erst am 6. Dezember 1831 abgeschlossen und von allen Beteiligten unterschriftlich vollzogen. Aus ihm erfahren wir, daß der damalige Besitzer der Fidei-Kommiß Herrschaft Prauß und somit auch Eigentümer von Gollschau der Kaiserliche und Königliche Gubernialrat Graf und Herr Franz Joseph von Zierotin, Freiherr von Lilgenau (seit 1815) war. Der damalige Gerichtsschulze des Dorfes war der Bauer Gottlieb Friedemann, der vorher Lehrer und Organist in Karschau gewesen war. Das Dorf bestand aus 8 Bauergütern, 8 Freigärtnern, 13 Dreschgärtnern, 6 Häuslerstellen und einem Gemeindehaus. Die Besitzer der 8 Bauerngüter waren folgende: 1. Christian Irmsch, 2. Gottfried Kappler, 3. Johann Christoph Groegor, 4. Johanna Helene verw. Gallasch und Kinder, 5. Christioph Irmsch, 6. Gottlieb Kühnel, Anton Weiß, 6. Johann Gottlieb Wasner, 7. Karl Gottlob Heckert und 8. Johann Gottlieb Drescher. Die acht Freigärtnerstellen gehörten Christian Thielscher, Johann Gottlob Keller, Christian Irmsch, Johann Gottlob Klinkert, Johann Gottlieb Kühnel, Gottlieb Krügler und Anton Weiß. Die 13 Dreschgärtner waren: Johann Christoph Steiner, Karl Friedrich Rösner, Gottlieb Rother, Gittfried Roß, Gottfried Werft, Gottlieb Flechtner, Johann Gottlieb Stanke, Johann Christoph Prahl, Johann Christoph Schindler, Gottfried Stütze, Johann Gottlieb Ruppert, Gottfried Wildner und Gottfried Stenzel.

Gleichzeitig mit der Zusammenlegung der Äcker wurden auch 1. für das Dominium des Schafhutungsrecht auf der ganzen Bauernfeldmark und 2. für die kleinen Leute das Recht der Gräserei auf den herrschaftlichen Rainen, Gutsgrenzen und Kommunikationswegen und ihr Hutungsrecht auf den herrschaftlichen Brach- und Stoppelfeldern abgelöst. Für die Ablösung des Schafhutungsrechtes mußten die Bauern von jeder Hufe 2 1/2 Morgen, von 13 1/2 Hufen also ingesamt 34 Morgen, 67 Quadratruten an das Dominium als Entschädigung abtreten. Dagegen erhielten die kleinen Leute für ihren Gräserei- und Hutungsverlust pro Kuh 67 1/2 Quadratruten, im ganzen für 43 Kühe also 16 Morgen und 22 Quadratruten Ackerland vom Dominium als Entschädigung. Eine Bonitierung (Wertbestimmung) der Grundstücke hat bei der Gemeinheitsteilung und Ablösungsentschädigung nicht stattgefunden. Der Acker wurde im allgemeinen für gut angesehen und Morgen für Morgen abgetreten und angenommen. Sie bisherigen Kommunikationswege blieben in der alten Lage, bis auf den Weg vom Dorfe nach Wammelwitz, der bis auf drei Ruten verbreitert wurde. In der Teilung des Weges nach Leipitz und Sadewitz wurde eine Lehmgrube von einem Morgen, am Wammelwitzer Wege bei Skalitz eine Sandgrube von 90 Quadratruten und an der südostlichen Seite des Dorfes ein Gänseanger von einem Morgen und 90 Quadratruten für die Bauernschaft angelegt. Für alle diese Zwecke mußten die Bauern eine Fläche von 7 Morgen und 104 Quadratruten hergeben.

Jetzt erfahren wir auch zum ersten Male die Arealgröße des Dominiums, der einzelnen Bauern-, Frei- und Dreschgärtnerbesitzungen in Morgen und Quadratruten. Bisher war die Größenbezeichnung bei Äckern nach der Morgenzahl nicht üblich. Man bezeichnete vielmehr die Größe einer Wirtschaft nur nach der Zahl der ausgesäten Scheffel Getreide. Nach der Ausmessung durch den Regierungs-Kondukteur Schmidt im Jahre 1819 war die gesamte Ackergemarkung von Gollschau 1928 Morgen, 46 Quadratruten, nach erfolgter Zuteilung aber 1920 Morgen, 122 Quadratruten groß, da ja von dem Gesamtareal 7 Morgen, 104 Quadratruten zur Verbreitung eines Weges und zu Gemeindeanlagen (Lehm- und Sandgrube, Gänseanger) hergegeben werden mußten. Laut Zuteilungsregister betrug der Ackerbesitzstand des Dominiums 998 Morgen 84 Quadratruten, der der Bauern 817 Morgen 59 Quadratruten die 8 Freigärtner erhielten 47 Morgen 160 Quadratruten und die 13 Dreschgärtner 56 Morgen 179 Quadratruten. In den Abgaben an Staat, Kirche, Pfarre und Schule, sowie in den Kommunal- und Soziätslasten wurde durch diese Auseinandersetzung nichts geändert. Ihre Kosten wurden von den Interessenten nach Verhältnis der einem jeden im neuen Besitzstande zugeteilten Morgenzahl gemeinsam getragen: Die gerichtlichen Zu- und Abschreibungen im Hypothekenbuche der noch diesem Rezeß in Land gegebenen und erhaltenen Entschädigungen erfolgten am 20. Mai 1832 durch das Gräflich Zierotinsche Gerichtsamt der Fidei-Kommiß-Herrschaft Prauß.

Bald folgten weitere Veränderungen und Ablösungen in den urbarialen bäuerlichen Verhältnissen von Gollschau, nachdem am 7. Juni 1821 die "Verordnung wegen Ablösung der Dienste, Geld- und Naturalleistungen von Grundstücken, welche eigentümlich, zu Erbzins oder Erbpacht besessen werden," erschienen war. So beantragten die Gollschauer Bauern am 14. August 1822 bei der Königlichen-General-Kommission zur Regelung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse in Niederschlesien die Ablösung ihrer dem Dominium zu leistenden Dienste. Diesem Antrage wurde auch umgehend stattgegeben. Nach Maßgabe der daraufhin geflogenen Verhandlungen kam 1828 der Dienst-Ablösungs-Rezeß zustande. Die Bauernschaft von Gollschau war seither zu den in Kap. II des Urbariums von Gollschau aufgeführten Robotdiensten dem Dominium verpflichtet. Diese Dienste verrichtete sie unentgeltlich. Das Dominium vergütete nur eine geringe Kleinigkeit. Durch die nun folgende Auseinandersetzung wurden aufgehoben und abgelöst sämtliche Robotdienste der Bauern, die dabei teilweise gereichte Vergütung und dazu noch auf besonderen Antrag des Bauern Christian Irmsch dessen Geld- und Naturaldienste. Ihre Robotdienste löste die Bauernschaft durch Abgabe von Land ab. Im ganzen mußten die 8 Bauern für diese Befreiung 83 Morgen und 138 Quadratruten an das Dominium abtreten. Dieses Entschädigungsland erhielt das Dominium auf dem an sein Feld anstoßenden Ackerplane des Bauern Christian Irmsch in einem Stück. Der Bauer Irmsch übernahm also auch die Abtretung für die übrigen 7 Bauern. Dafür ließ er sich von diesen mit barem Gelde entschädigen. Für die übernommene Abtretung von 73 Morgen und 19 Quadratruten für die anderen Bauern erhielt er von diesen für jeden Morgen 40 Reichsthaler, im ganzen also 2924 Reichsthaler, 6 Silbergroschen und 8 Pfennige. Der Acker wurde Weihnachten 1824 in der Beschaffenheit, wie er zu dieser Zeit wirtschaftlich bestellt war, also ohne Entschädigung für die erfolgte Aussaat, übergeben. Die 7 Bauern als Käufer hatten sich verbindlich gemacht, ein Drittel der Kaufsumme Ostern 1825, ein Drittel Weihnachten 1825 und das letzte Drittel Weihnachten 1826 bar an Irmsch zu entrichten. Das von Weihnachten 1824 ab verbleibende jedesmalige Quantum mußte mit 5 von Hundert verzinst werden. Da der Bauer Irmsch jetzt im Besitz größerer Geldmittel war, so ging er auch daran, die seinem übrigen Besitz noch ruhenden Geld- und Naturalzinsen durch Kapital abzulösen. Er zahlte dafür als einmalige Summe 312 Reichstaler, 13 Silbergroschen und 5 1/4 Pfennige und war somit als erster von allen Gollschauer Bauern schon jetzt von sämtlichen Verpflichtungen gegen die Praußer Herrschaft endgültig befreit, während die 7 anderen Bauern die in Kap. I. des Urbariums aufgeführten Geld- und Naturalzinsen noch weiter zu entrichten hatten. Der über diese Ablösung aufgestellte Rezeß wurde am 8. April 1828 bestätigt.

Am 24. Juni 1825 fand dann weiter die Wiesenbonitierung statt, der am 26. April 1827 auch die Wiesenseparation folgte. Bei dieser Bonitierung wurden alle Wiesen in drei Klassen aufgeteilt. Der ersten Klasse wurden alle Wiesen mit gesunden Futterkräutern und gutem Wiesengrunde zugeteilt, die von einem Morgen von zwei Schnitten jährlich 18 Zentner Heu gaben. Wiesen mit etwas naßkaltem Untergrunde und minder günstige Lage, die deshalb nur einen jährlichen Mengenertrag von 15 Zentner erbringen, zählen zur zweiten Wiesenklasse. Die dritte Wiesenklasse ist größtenteils mit weniger feuchtigkeitshaltendem Untergründe versehen, doch hat sie noch Futterkräuter von guter Beschaffenheit. Der jährliche Heuertrag dieser Wiesen war auf 12 Zentner vom Morgen abgeschätzt. Auf Grund dieser Bonitierung wurde dann bei der Wiesenseparation auch das Wertverhältnis der drei Wiesenklassen ermittelt und festgesetzt, und zwar galt ein Morgen 1. Klasse gleich 1 1/4 Morgen 2. Klasse und 1 1/2 Morgen 3. Klasse. So erhielten das Dominium 61 Morgen, 30 Quadratruten und die Bauern zusammen 58 Morgen, 65 Quadratruten zugeteilt. Wenn man jetzt die gesamte Wiesenfläche mit der Ackerfläche vereinigt, so besaß nunmehr das Dominium eine Gesamtnutzungsfläche von 1059 Morgen, 114 Quadratruten und die Bauernschaft 875 Morgen, 124 Quadratruten. Zählt man nun noch die Nutzungsfläche der Stellenbesitzer hinzu, so ergibt das eine Gesamtnutzungsfläche von 2040 Morgen, 37 Quadratruten, die dem Dominium und der Gemeinde Gollschau als Nahrung zur Verfügung stand.

Nun trat in den Verhandlungen zur Ablösung der weiteren urbarialen Verpflichtungen ein längerer Stillstand ein, und erst 1847 kamen sie wieder in Fluß. Inzwischen war der herrschaftliche Besitz Prauß in andere Hände übergegangen. Nach dem im Jahre 1845 erfolgten Tode des Grafen Joseph Karl von Zierotin kam der ganze Besitz an dessen Sohn, den Grafen Franz Joseph. Unter diesem Besitzer wurden dann die Ablösungsverhandlungen weitergeführt, dauerten noch bis 1860, in welchem Jahre die dann glücklich beendet wurden. Das Jahr 1847 war sehr reich an Verhandlungen, die jedoch nicht immer glatt zum Ziele führten. Es wurde von beiden Seiten in den verschiedensten Angelegenheiten die Königl. General-Kommission in Breslau als zuständige Behörde um Entscheidung angerufen. Sie sprach aber in allen strittigen Punkten stets zu Gunsten der Praußer Herrschaft Rechte, so daß schließlich alle Auseinandersetzungen nach herrschaftlichem Willen zur Abfassung gelangten. Folgende Auseinandersetzungs-vertrage sind in dem erwähnten Jahre zum Abschluß gekommen: 1. Ablösung der gemessenen Erntetage, welche die drei Auenhäusler in Gollschau herkömmlich bei dem Vorwerk Gollschau gegen Lohn in Geld und Naturalien zu verrichten hatten, gegen eine jährliche Geldrente zu Gunsten der berechtigten Gutsherrschaft, am 15.2.1847. 2. Ablösung der von den 8 Freigärtnern und den 3 Häuslern zu leistenden Handdienste und ihrer Spinnverpflichtung gegen eine jährliche Geldrente von Seiten der Verpflichteten an die Gutsherrschaft an 16.2.1847. 3. Ablösung der Besitzveränderungsabgaben von den Bauerngütern und den Freigärtnern gegen eine Jahresrente zu Gunsten der berechtigten Herrschaft, am 15.7.1847. 4. Ablösung der Laudemienverpflichtungen gegen eine Jahresrente. 5. Ablösung der Besitzveränderungsabgaben der verpflichteten 13 Dreschgärtner und der Auenhäusler gegen eine Jahresrente, am 20.7.1847. 6. Ablösung sämtlicher Dienste jeglicher Art der 13 Dreschgärtner gegen eine Geldrente und Verzicht auf die Gräsereiberechtigung in den Dominialgrenzen gegen Landabfindung. 7. Vergleichsverhandlung mit den 13 Dreschgärtner und Flurschützengetreide, am 29.11.1847. 8. Ablösung der Gräsereiberechtigung der 8 Freigärtner gegen Entsagung auf die Zinshühner, am 29.11.1847.

Die Verhandlungen waren damit aber noch lange nicht erschöpft. Ein von beiden Seiten heiß umstrittenes Objekt war die Ablösung der Reallasten. Es galt nämlich noch, den Erb- und Grundzins der Bauern und Gärtner, ferner den Hühner-, Eier-, Hutungszins und bestimmte Getreideabgaben abzulösen. Hierzu hatte zwar das Gesetz betreffend Ablösung der Reallasten und Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse vom 2. März 1850 die Richtlinien gegeben, aber die Entschädigungsforderungen der Herrschaft waren so hoch, daß die Verpflichteten der Überzeugung waren, unmöglich darauf eingehen zu können. Ein Einspruch gegen die nach ihrer Meinung übermäßig hohe Ablösungsforderung für das Zinsgetreide, die Zinshühner und Zinseier bei der General-Kommision in Breslau zeitigte aber keinen Erfolg. Die Beschwerdeführenden mußten zuletzt die Rente in der von der Gutsverwaltung geforderten Höhe doch zahlen. Nach dem diesbezüglichen, am 30. Juni 1853 vollzogenen und am 28. Juli desselben Jahres bestätigten Reallasten-Ablösungs-Rezeß hatten sämtliche damalige Bauern und Kleinbesitzer von Gollschau — 34 an der Zahl — die Verpflichtung übernommen, für die Ablösung aller Reallasten vom 1. Oktober 1853 ab eine jährliche Rente von 147 Taler und 9 Silbergroschen in vierteljährlichen Raten durch 56 1/12 Jahre hindurch an die Rentenbank, die gleichfalls auf Grund des letztgenannten Gesetzes geschaffen worden war, zu entrichten.

Als Letztes endlich blieb nur noch die endgültige Regelung der Gräsereiberechtigung der Freileute und Dreschgärtner übrig, die im Jahre 1847 nur eine teilweise Regelung erfahren hatte, ihrer völligen Erledigung aber immer noch harrte. Es war nun höchste Zeit, diese Regulierung zu einem vollständigen und guten Ende zu führen; denn inzwischen war das Gesetz vom 16. März 1857 erschienen, das da festsetzte, daß alle Regulierungsansprüche bis zum 31. Dezember 1858 angemeldet werden müßten, "widrigenfalls solche Ansprüche präkludirt (ausgeschlossen) sein sollen". Nach einer weiteren Anzahl von Verhandlungsterminen kam es nun schließlich auch hier so weit, daß am 25. Februar 1860 der Auseinandersetzung-Rezeß betreffend die Gräsereiablösung von Gollschau zwischen den Beteiligten zum Abschluß gebracht werden konnte. Nach diesem Rezeß erhielten die 6 Freileute und 13 Dreschgärtner von Gollschau unter Anrechnung der bereits im Jahre 1819 erhaltenen 16 Morgen, 22 Quadratruten für ihren Verzicht auf die Gräsereiberechtigung jetzt eine Landentschädigung von insgesamt 49 Morgen und 164 Quadratruten von der Herrschaft zugeteilt.

Dieser letzte Rezeß erhielt seine Bestätigung durch die Königl. General-Kommission zur Regelung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in Schlesien zu Breslau am 20. August 1860. An diesem Tage wurde also auf das so langwierige, aber inhaltsschwere Werk der Befreiung der Gollschauer Gutsuntertanen von der Erbuntertänigkeit der Schlußstein gesetzt. Neben der plitischestaatsrechtlichen Freiheit war den Bauern und Kleinwirten von Gollschau nunmehr auch die persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit gesichert. Jetzt erst durfte der Bauersmann unentwegt und ungehindert auf seiner Scholle frei wirken, mit ihr wurzelfest verwachsen und dadurch an ihr einen sicheren Halt zum Wohle des gesamten preußischen Staates. Nicht zu Unrecht heißt es: "Einen festen Halt hat nur der, der an den Boden gebunden ist." Nur noch die vierteljährlichen Rentenzahlungstermine noch einige Jahrzehnte lang an die frühere Abhängigkeit und Unfreiheit. Als aber im November 1909 die letzte Rate an die Rentenbank gezahlt war, da war auch der letzte Alp einer den Bauernstand so sehr entehrenden Zeit für immer entschwunden. Heute gehört das Gollschauer Urbarium vom Jahre 1786 schon längst der Kulturgeschichte an.

V. Teil. (1940)
Gollschau im 19. Jahrhundert.

Das bedeutendste Ereignis von tief einschneidender wirtschaftlicher, politischer und kultureller Tragweite war in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts für jedes schlesische Dorf — also auch für Gollschau — unzweifelhaft die Befreiung des Bauernvolkes von der Erbuntertänigkeit und der so drückenden und entehrenden Hörigkeit. Dieses Werk, von Freiherr von Stein 1807 in die Wege geleitet, konnte seiner ungeheuren Größe und Wichtigkeit wegen nicht in einer kurzen Zeitspanne beendet werden, sondern brauchte zu seiner Reife und vollen Auswirkung mehrere Jahrzehnte. In Gollschau ist in dieser Angelegenheit das letzte Wort am 20. August 1860 gesprochen worden. Die sich oft bei den umfangreichen Verhandlungen ergebenden schweren und erbitterten Kämpfe zwischen den beteiligten Parteien, die bei einer umfangreichen Umwandlung aber bis dahin Jahrhunderte lang geltenden Wirtschafts- und Personenverhältnisse einmal unausbleiblich waren, sind im vorigen Teil dieser Ortsgeschichte auf Grund von Rezessen und Verhandlungsakten dem Leser vor Augen geführt worden. Doch gibt es im Laufe eines ganzen Jahrhunderts auch in dem kleinsten Dorfe noch andere Ereignisse und Begebenheiten, die wohl wert sind, für die Gegenwart aufgeschrieben und für die kommenden Dorfgeschlechter festgehalten zu werden. Deshalb soll von solchen Dorfereignissen aus dem 19. Jahrhundert in diesem Teile der Ortsgeschichte von Gollschau die Rede sein.

1. Ein Gollschauer Bauer wird seines Glaubens wegen verfolgt.

Es war in der Zeit von 1830 bis 1840. Die Union (Vereinigung) der beiden protestantischen Konfessionen, der kleinen Schar der Reformierten und der größeren Zahl der Lutheraner war erfolgt. Damit ging ein Lieblingswunsch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. in Erfüllung. Das Reformationsjubiläum 1817 und das dritte Säkularfest der Übergabe der Augsburgischen Konfession 1830 waren die dem König zu ihrer Einführung günstig erscheinenden Gelegenheiten. Der 25. Juni 1830 ist der Geburtstag der unierten Kirche in Breslau und in Schlesien. Derselbe Tag wurde aber auch der Geburtstag der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Breslau und der gleichnamigen Kirche in Preußen. Die Einführung der Union und der von Friedrich Wilhelm III. herausgegebenen Unionsagende in Breslau verlief nämlich nicht so reibungslos, wie es erwünscht war. Eine stattliche Zahl Breslauer Bürger wollte trotz aller Bemühungen von beiden nichts wissen, sondern vielmehr bei dem alten lutherischen Glaubensbekenntnis weiter verbleiben. An der Spitze dieser Bewegung stand Johann Gottfried Scheibel, seit 1815 fünfter Diakonus an St. Elisabeth und seit 1818 ordentlicher Professor der Theologie an der Universität. Daraufhin wurde er von seinen Ämtern suspendiert. Er gründete die evang.-luth. Gemeinde in Breslau, die schon gegen Ende des Jahres 1830 fast 2300 Seelen zählte. Aber auch in der Provinz und da vor allem wieder in der Gegend um den Rummelsberg blieben Männer, meist Leute aus dem niederen Stande, von sich aus gleichfalls dem alten lutherischen Glauben treu und wollten von einer Union nichts wissen. Andere wieder traten bald aus der unierten Kirche aus und schlossen sich den Lutheranern an. Sie bildeten für sich eine Gemeinde und hielten unentwegt am alten lutherischen Glaubensbekenntnis fest. Bald bekam diese weit zerstreute Gemeinde einen eigenen Seelsorger in dem Pastor Heinrich Reinsch aus Völkersdorf im Isergebirge, der wegen Nichtannahme der Unionsagende 1835 von seinem Pfarramt in der evangelischen Landeskirche abgesetzt worden war.

Ein sehr eifriger und treuer Anhänger der altlutherischen Gemeinde am Rummelsberge war auch der Bauer und Gemeindevorsteher Karl Gottlob Heckert (geb. 27.7.1799 gest. 3.11.1859) in Gollschau. Schon im Jahre 1830 brachen über die Lutheraner in Breslau, die unberechtigterweise Separatisten (Sonderbündler) genannt wurden schwere Verfolgungen aus, die später auch auf alle lutherischen Gemeinden von ganz Schlesien ausgedehnt wurden, und bis zum Jahre 1840 unvermindert anhielten. Auch Heckert in Gollschau hatte in dieser Verfolgungszeit stark zu leiden. Über die Drangsale, die er in der Zeit von 1836 bis 1840 seines Glaubens wegen hat erleiden müssen, hinterließ er eigenhändig geschriebene Aufzeichnungen, die im Archiv der evang.-luth. Kirche in Strehlen aufbewahrt werden. Ein genauer Abdruck dieser schriftlichen Aufzeichnungen ist im evang.-luth. Kirchenblatt vom Jahre 1878, S. 336 ff. wie auch in dem Büchlein "Geschichte der evang.-luth. Parochie Strehlen zur Feier des 50jährigen Kirchweihjubiläums in Strehlen von Pastor Johannes Nagel (Strehlen 1911, Selbstverlag), zu finden. Leider ist dieses Büchlein vergriffen. Diesen beiden Hauptquellen folge ich in der nachstehenden Darstellung.

Dem Bauer Karl Gottlob Heckert in Gollschau war am 12.10.1836 von seiner Ehefrau Anna Rosina, geb. Gleis, eine Tochter geboren und am 15.10. von dem lutherischen Pastor Reinsch auf den Namen Johanna Karoline getauft worden. Am 1.11. wurde er wegen dieser unvorschriftsmäßigen Taufe im Landratsamt zu Nimptsch verhört. Er gab auch wahrheitsgemäß an, daß ein lutherischer Pastor sein Kind getauft habe. Nach dem Namen des Pastors gefragt, erwiderte H. aber, daß er diesen nicht verraten dürfe und wolle. Am 7.11. mußte er deshalb ins Stockhaus nach Nimptsch. An denselben Tag noch wurde er vom Landrat vernommen und aufgefordert, den Namen des Pastors zu nennen. Das tat er aber nicht. Auf die Worte des Landrats: "Zu einem Pastor, der sich nächtlicherweile herumtreibt und amtiert, könnte ich kein Zutrauen haben", entgegnete H.: "Es war am hellen Mittag, da er mein Kind getauft hat." Am 10.11. folgte ein weiteres Verhör, ob er sich nun besonnen habe. Heckerts Antwort blieb dieselbe: er könne, den Pastor nicht verraten. So wurde er wieder ins .Stockhaus zurückgeführt und auf unbestimmte Zeit gefangen gehalten. Am 12.11. endlich wurde ihm mitgeteilt, daß er am 15.11. nach Hause gehen könne, vorher aber auf dem Landratsamt erscheinen müsse. Dort wurde er nochmals aufgefordert, den Namen des Pastors zu nennen. H. verharrte auch diesmal bei seiner Weigerung, worauf ihm der Landrat eröffnete: "Dann werden Sie nach den Gesetzen bestraft werden." Da H. vorläufig aus dem Stockhaus in Nimptsch entlassen worden war, so durfte er das Weihnachtsfest im Kreise seiner Familie in Gollschau feiern. Am 2. Weihnachtsfeiertage 1836 fuhr er den Pastor Reinsch nach Louisdorf (Kr. Strehlen), wo dieser im Hause des Stellenbesitzers Böhm Gottesdienst mit hl. Abendmahl halten wollte. Dort wurde H. mit allen anderen beim Gottesdienst arretiert, ins Gasthaus getrieben und aufgeschrieben. Pastor Reinsch aber gelang es zu entkommen. Die Pferde wurden auf Befehl des Schulzen verschlossen und der Wagen von einem Wächter gehütet. Am 27.12. konnte H. wieder nach Hause fahren, eine Ordonnanz hatte aber den Auftrag, ihn samt Pferden und Wagen dem Landratsamt in Strehlen zu übergeben. Nachdem er dort vom Kreissekretär Scharf verhört und alles zu Protokoll genommen worden war, wurde er um 3 Uhr entlassen. Für die Teilnahme an den Gottesdiensten in Reichau und Louisdorf mußte er je einen Taler Strafe zahlen. Die gegen diese Strafe eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg; am 29.4.1837 wurde ihm auf dem Landratsamt in Nimptsch eröffnet, daß es nach dem Bescheid von der Regierung bei der festgesetzten Strafe bleibe. Am selben Tage noch hatte H. einen Termin im Gerichtsamt zu Prauß, wo ihm ein Bericht von dem Pupillenkollegium (Obervormundschaftsamt) vorgelesen und ihm auch erklärt wurde, die Paten des Kindes müsse er nennen, den Täufer aber nicht. Das tat er auch. Außerdem wurde in ihn gedrungen, er möchte das Kind doch ins Kirchenbuch der Praußer Pfarrkirche eintragen lassen. H. entgegnete aber, er könne das nicht. Das Kind sei schon im lutherischen Kirchenbuch eingetragen.

Am 14.9.1837 hatte Heckert wieder ein Verhör in dem Gerichtsamt zu Prauß. Von dem Justiarat N. nebst seinem Assessor, einem Aktuarius und dem Oberamtmann R. wurde er auf härteste vernommen, doch zu sagen, wer sein Kind getauft habe. Die Obrigkeit verlange dies jetzt unbedingt Wenn er es nicht sage, werde er ohne weiteres in Arrest genommen. Der Oberamtmann, der die dringende Arbeit in der Wirtschaft zur Saatzeit wohl wußte, versuchte alles, um ihn zu überreden. Auch die anderen Herren boten ihre ganze Kraft auf, ihn zum Geständnis zu bringen, aber vergeblich. H. blieb bei allem Zureden unerschütterlich fest. Nach eineinhalbstündiger vergeblicher Verhandlung wurde das Urteil gefällt. H. wurde auf unbestimmte seit in Arrest genommen. Er bat darauf um Erlaubnis, wenigstens auf sechs Viertelstunden nach Hause gehen zu dürfen, um seine Wirtschaft etwas zu bestellen. Das wurde ihm bewilligt. Unterwegs sank ihm doch der Mut. Er wurde so schwach, daß er nicht mehr gehen konnte. Auf seinen Stock gestützt betete er zu seinem Gott und Herrn, ihn doch zu stärken, er ginge sonst zugrunde, das ertrüge er nicht mehr. Eine böse innere Stimme flüsterte ihm zudem zu, er sei doch in Unrecht, die Herren wollten sein Bestes, und er würde zuletzt noch um sein Bauerngut kommen. Aber da fiel ihm der Bibelspruch ein: "Es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde" (Hebr. 13,9). Er fühlte sich wieder getröstet und kam mit Gottes Hilfe gestärkt zu Hause an. In seinen Aufzeichnungen heißt es dann wörtlich weiter: "Dann erfuhr ich erst recht, welch ein köstlich Ding es sei um ein festes Herz, denn alle vier Juristen waren nichts gegen mein Weib. Nach Verlauf der bestimmten Zeit war ich in meinem angewiesenen Gefängnis, im Geiste fröhlich, und wurde nach 14 Tagen wieder entlassen."

Am 19.4.1838 hatten Heckert sowie der Tischler Gottlieb Schneider und der Schmied Gottlieb Buchs, letztere beiden aus Reichau wieder ein Verhör bei dem Land- und Stadt-Assessor Schregel in Nimptsch, Sie sollten diesmal gestehen, wie der Pastor heiße, der das dem Schneider geborene Kind getauft hatte. Alle drei äußerten, das könnten sie aus Gewissensbedenken nicht sagen. Sie wollten keine Verfolger des Herrn Jesu sein. Der Herr Assessor hatte sich gut vorbereitet. Er ließ es an nichts fehlen und bot alle Kunst und Gewalt auf, um die drei dahin zu bringen, ein Geständnis abzulegen. Da es ihm aber nicht gelang, schickte er nach dem Stockmeister und zeigte den Männern 20 Taler in einem Pack mit dem Bemerken: "Dies ist mir von der Königl. Regierung als Kostenvorschuß geschickt worden, und wenn ihr nicht gesteht, kommt ihr augenblicklich ins Gefängnis und müßt auf unbestimmte Zeit sitzen." Alle drei ließen sich aber nicht einschüchtern, sondern erklärten freudigen Herzens: "Wir können laut unseres Gewissens den Täufer des Kindes nicht sagen, den dadurch täten wir die Obrigkeit in ihrer Verfolgung noch bestärken." Daraufhin ward der Herr Assessor sehr ernst und behandelte die standhaften Männer wie Vaga-bunden. Heckert erkannte, daß ihnen nichts anderes übrig blieb, als das Gefängnis. Er bat deshalb, wenn es möglich wäre, ihnen vier Wochen Frist zu gestatten, um die Felder zu bestellen. Diese Bitte wurde abgeschlagen. Auch eine weitere Bitte um 14 Tage Strafaufschub war vergeblich. Als H. dann noch um 24 Stunden bat, wurde ihn geantwortet: "Gerade daß es in der Saatzeit ist, geschieht Euch recht, damit sollt Ihr es recht fühlen." H. erdreistete sich, noch einmal zu bitten, und sagte: "Herr Sch., Sie werden entschuldigen, da Sie als Richter nicht anders mit uns handeln können als nach den Gesetzen, so handeln Sie doch mit uns als Christ, denn Sie wissen ja: "Mit dem Maß, da du mir missest, wird man dir wieder messen". Zornig und böshaft fuhr des Assessor die drei nun an: "Ihr glaubt, ich bin kein Christ. Nun hört meine Geduld auf. Marsch mit Euch ins Stockhaus! Und wenn Ihr nicht gesteht, so müßt Ihr zeitlebens sitzen."

So kamen die drei Glaubensbekenner in dasselbe Stockhaus, in dem auch Pastor Reinsch vom 8. Mai 1837 bis 14. Februar 1838 gefangengehalten worden war, und das war ihnen eine Ehre. Über ihre Lage bedenklich geworden schilderten sie ihre Behandlung den Breslauer Brüdern und baten um deren Rat. Dieser Brief, den H. aus dem Gefängnis an einen Glaubensbruder in Breslau gerichtet hat, trägt das Datum Nimptsch, den 24. Mai 1838, und befindet sich im Original in den Akten des luth. Oberkirchenkollegiums in Breslau. Von Breslau aus wurde den Gefangenen in Nimptsch geraten, eine Beschwerde an das Oberlandesgericht zu versuchen und ihre Behandlung mitzuteilen. Zugleich sollten sie vorstellen, wie ihre Familie und Wirtschaft größten Schaden litten, und daß bei einem Verbrecher dies alles nach den Gesetzen berücksichtigt würde. Die drei Gefangenen reichten die Beschwerde bald ein, mußten aber Geduld lernen und bis zum 26. Mai warten. An diesem Tage wurden sie aus der Haft entlassen, doch mit der Ermahnung, binnen vier Wochen freiwillig in Stockhaus zurückzukommen. Das versprachen sie. Es ist aber nicht mehr geschehen. Darüber schreibt, seine Aufzeichnungen abschließend, H folgendes: "Da wir nun gegen unser Sitzen fortprozessierten, und die Strenge der Verfolgung sich minderte, bekamen wir ein Vierteljahr darauf eine Kostennote von Herrn Assessor Sch. zugeschickt von 42 Talern, welche binnen vier Wochen eingeschickt werden sollten. Dagegen haben wir bereits ein ganzes Jahr prozessiert und soweit gewonnen, daß wir von dem Justizminister Mühler in Berlin sind freigesprochen worden."

Endlich schlug für alle ihres lutherischen Bekenntnisses wegen Verfolgten die Erlösungs- und Befreiungsstunde. König Friedrich Wilhelm III. starb. Am 7 Juli 1840 gelangte der wegen seiner Gerechtigkeitsliebe bekannte und hochgeschätzte König Friedrich Wilhelm IV. zur Regierung. Er befahl in einer Kabinettsordre vom 19.August 1840 die Freilassung aller wegen ihres Bekenntnisses gefangen gehalten lutherischen Pastoren und die Aufhebung jeder weiteren Verfolgung der Lutheraner. Damals zählte die lutherische Kirchegemeinde Strehlen, damals noch Woiselwitz genannt 494 Seelen, die in acht Kreisen zerstreut lebten: Strehlen, Münsterberg, Ohlau, Breslau-Land (süd. Teil), Nimptsch, Frankenstein, Reichenbach, und Waldenburg Die Kunde von diesem Befehl des Königs verbreitete sich wie ein Laufeuer durch alle so lange verfolgten lutherischen Gemeinden in Preußen und löste überall die größte Freude aus. Jetzt endlich konnten die Lutheraner im Frieden ihres Glaubens leben und die ihnen neu geschenkte Kirche ausbauen. Für alle bis dahin Geängstigten kamen nun Zeiten der Ruhe, auch für den Bauer und Kirchenvorsteher Karl Gottlob Heckert in Gollschau. Bald haben sich auch in

Gollschau selbst die Anhänger der lutherischen Kirche gemehrt. Die Nachkommen des Karl Gottlob Heckert — ihre Zahl ist nicht gering — sind meist ihrem lutherischen Glaubensbekenntnis treu geblieben bis auf den heutigen Tag. Die Personenstandsaufnahme im Oktober 1938 ergab in Gollschau 20 Lutheraner. Sie verteilen sich auf drei rein lutherisch und drei gemischtkonfessionelle Familien. Unter den ersteren sind zwei Heckertfamilien direkte Nachkommen jenes Mannes, der vor 100 Jahren um seines Glaubens willen und Verfolgung auf sich genommen und beides standhaft getragen hat, bis ihn Gott davon befreite.

Quellen außer den schon genannten:
Ernst Ziemer, Kirchenrat Lic. Dr., "Vor hundert Jahren". (Breslau, Verlag des lutherischen Büchervereins 1930.)
Gottfried Nagel, Oberkirchenrat D.Dr., "Lutherisches Ringen am Rummelsberge". (Breslau, Verlag des luth. Büchervereins 1936.)

2. Das Notjahr 1847 und das Revolutionsjahr 1848

Das Jahr 1847 war für Schlesien eine Zeit großer Teurung und schwerer Not verursacht durch eine vollkommene Mißernte des Jahre 1846 und ein Hochwasser der Oder und ihrer Nebenflüsse im Juni 1847. Die Größe der an der ganzen Provinz herrschenden Elends kommt in einem Aufruf zum Ausdruck, den ein in Breslau gebildeten Komitee zur Unterstützung der Überschwemmten in Ober- und Mittelschlesien in allen schlesischen Zeitungen der damaligen Zeit veröffentlichte. Ein Abdruck dieses Aufrufes ist auch in dem damaligen "Strehlener Kreis- und Stadtblatt" (Jahrg. 1847, Nr. 27) erschienen und hat folgenden Wortlaut: "Die Provinz Schlesien, sonst blühend und reich, ist von der Mißernte des vorigen Jahres allgemein hart getroffen worden. Zu diesem verbreiteten Übel, welches durch die Hoffnung auf eine gesegnete Ernte schon gemildert erschien, hat sich für die Bewohner der Niederungen ein neues Unglück gesellt. Das Hochwasser der Oder hat in diesen Tagen an mehreren Stellen die Dämme durchrissen, die Wohnungen der Menschen unter Wasser gesetzt, die übrigen Felder überflutet und ganze Strecken Landes in Ober- und Niederschlesien jeder Aussicht auf eine Ernte beraubt. Die Drangsale der Überschwemmten sind groß, ihre Not ist verbreitet. Es genüge die Versicherung, daß bei solcher Summe des Elends das Mitgefühl mit Recht in Anspruch genommen wir . . ." Dieser so beredte Aufruf vom 21. Juni 1847 ist unterzeichnet von dem Breslauer Bürgermeister Bartsch, dem komm. General des 6. Armeekorps, Graf von Brandenburg, dem Fürstbischof von Breslau, von Diepenbrock, dem Oberpräsidenten von Schlesien, von Wedell und vielen anderen einflußreichen Persönlichkeiten der Stadt Breslau.

Eine Plakette erinnert an Schlesiens Hungerjahr 1847
Plakette: Grosse Theurung Wenig Nahrung... 1847

Mehr zu diesem Thema, siehe Artikel darüber (Schlesischer Beobachter, Mai 1995, Seite 29)

Auch in der Stadt Strehlen muß in den Jahren 1846/47 die Not unter der ärmeren Bevölkerung recht groß gewesen sein. Doch der starke Wille, sie nach Möglichkeit zu lindern war allgemein sichtbar. Ganz besonders war die Strehlener Ressource bemüht, durch Konzerte, Theatervorstellungen und andere Veranstaltungen Gelder zur Linderung der Not flüssig zu machen. Nach einem Rechenschaftsbericht vom 16. April 1847 hat diese Gemeinschaft 115 Rtlr. 21 Sgr. und 5 Pfg. aufgebracht. Von diesem Gelde wurden in der Zeit vom 9.2. bis 22.3.1847 an die 1500 vierpfündige Brote zum verbilligtem Preise von 2 Sgr. 3 Pfg. pro Stück, ja sogar zum Teil auch umsonst, an die minderbemittelte Bevölkerung verteilt. Ein Übriges hat dann noch der Magistrat getan und (nach einem Rechnungsbericht vom 24.8.1847) 2837 Stück Vierpfundbrote zum verbilligtem Preise an die Notleidenden der Stadt verteilt. Ein anderes sehr aufschlußreiches Dokument der damaligen Notzeit ist eine Bekanntmachung des Strehlener Magistrats vom 2.Juni 1847 in Nr. 23 des schon genannten Blattes. Dort heißt es nämlich: "Wenngleich der jetzige ungewöhnliche Notstand es vielen unmöglich macht, ihre Abgaben pünktlich abzuführen, so befinden sich doch diese unter den Testanten, deren Verhältnisse eine pünktliche Bezahlung der Abgaben gestatten. . ." Es gab also auch damals schon Leute die, obwohl von den der allgemeinen Not und Bedrängnis verschont, dieses dazu auszunutzen versuchten, sich ihren bürgerlichen Verpflichtungen zu entziehen.

Die Not war in Stadt und Land allgemein. Auch eine kurze Notiz in der Schulchronik von Gollschau, die erst viel später niedergeschrieben wurde, weist darauf hin. Dort heißt es: "Im Jahre 1847 hatte Gollschau unter der allgemeinen Teurung viel zu leiden. Der Scheffel (54,96 Liter) Gerste kostete damals, wie glaubwürdige, ältere Leute aus der Gemeinde übereinstimmend bezeugen, 7,50 DM und ein Sack (2 Scheffel) Weizen wurde mit 9, auch 9 Thlr. 13 Sgr. bezahlt." Eine zwar nur kurze Notiz, aber doch so vielsagend!

Sehen wir uns daraufhin doch einmal die Getreide- und Lebensmittelpreise der damaligen Zeit genauer an. Aufschluß darüber geben uns die im Strehlener Kreis- und Stadtblatt des Jahres 1847 regelmäßig veröffentlichten Marktberichte, bzw. Preisnotierungen. Nach diesen Berichten erreichte die Teurung ihren Höchststand im Juni, also kurz vor der neuen Ernte. Ein Scheffel Weizen kostete am Jahresanfang 2 Tlr. 27 Sgr., am 18.6. dagegen 5 Tlr. 10 Sgr., das ist ein Ansteigen des Weizenpreises um rund 84 v.H. Nach der Ernte fiel der Preis wieder gewaltig. Der Marktbericht vom 20.8. gibt 2 Tlr. 22 Sgr. an, und am 31.12. gilte der Weizen sogar nur noch 2 Tlr. 16 Sgr. Der Roggenpreis stieg von 2 Tlr. 18 Sgr. am Jahresanfang auf 5 Tlr., am 18.6. (Preisanstieg 92 v.H.) und fiel wieder allmählich bis auf 2 Tlr. am Jahresende. Die größte Preisteigerung trat aber bei der Gerste ein. Sie stieg von 1 Tlr. 26 Sgr. 6 Pf. am 8.1. bis auf 4 Tlr. 5 Sgr., am 2.7. (121 v.H.), um dann wieder auf 1 Tlr. 20 Sgr. am Jahresende herunterzugehen. Der Hafer unterlag der geringsten Preisschwankung: von 1 Tlr. 6 Sgr. am 8.1. stieg er auf 1 Tlr. 23 Sgr. am 18.6. und fiel dann wieder bis sogar auf 29 Sgr. am 31.12. Hier betrug das Anwachsen der Preises nur 47 v.H. Kartoffelpreise: am 8.1.: 14 Sgr. 6 Pf., 28 Sgr. 24.12.: 23 Sgr., Preisanstieg 93 v.H. Butter (ein Quart - 1,14 Liter): am 8.1.: 13 Sgr. 9 Pf., 14.5.: 15 Sgr., 16.7.: 11 Sgr., 15. bis 29.10.: 15 Sgr. 8 Pf, 31.12.: 15 Sgr. 6 Pf, Eier (die Mandel): am 8.1.: 4 Sgr. 6 Pf., 22.1.: 7 Sgr. 6 Pf., 26.3. bis 16.4.: 3 Sgr., 7.5.: 2 Sgr. 6 Pf., 24. bis 31.12.: 7 Sgr. Andere Lebensmittel und deren Preise: Semmel, 5 bis 7 Lot, 6 Pf., Brot, 1 Pfd. 2 Lot bis 1 Pfd. 16 Lot, 2 Sgr.; Rindfleisch, 1 Pfd. gleich 4 Sgr.; Kalbfleisch, 1 Pfd. = 1 Sgr. 6 Pf.; Schweinefleisch kostete 4 Sgr., 9 Pf. Hammelfleisch 2 Sgr. 6 Pf. Der Brauer verkaufte das Quart Bier für 10 Pf.

Inflation im Jahr 1847

Durch die Ernte 1847 war die schreckliche Teurung wieder behoben. Das ist wieder einer Bekanntmachung des Strehlener Magistrats vom 3.8.1847 (Strehlener Kreis- und Stadtblatt Nr. 17) zu entnehmen. Dort heißt es: "Da der durch die ungewöhnliche Teuerung aller Lebensmittel herbeigeführte große Notstand nur größenteils vorüber, und jetzt hinlängliche Gelegenheit, ernahrende Beschäftigung zu finden, vorhanden ist, so ist es an der Zeit, der überhand genommenen Bettelei mit aller Energie zu steuern."

Im darauffolgenden Jahre kamen andere Nöte über Land und Volk. Von Frankreich aus wütete die Feuer des Aufruhrs in den deutschen Landen und entzündete überall Unruhen und Aufstände. Der preußische Staat blieb nicht verschont. Die Märzvorgänge in der Hauptstadt Berlin dürften heute noch bekannt sein. Auch in den einzelnen Provinzen war die allgemeine Unzufriedenheit und Erbitterung groß. Schlesien bildete keine Ausnahme. In der gesamten Landbevölkerung unserer Provinz gärte es schon lange. Schuld daran war der Widerstand der Großgrundbesitzer gegen die Agrarreform. Dazu zogen oft unlautete Elemente von Ort zu Ort und schürten das Feuer des Aufruhrs. Die Schlagworte "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit", ehr oft falsch verstanden und angewendet, schwirrten in der Luft und gingen von Mund zu Mund. Die zahlreichen Gesetze und Edikte, die für eine durchgreifende Agrarreform bisher erlassen worden waren, hatten durch den Widerstand der Großgrundbesitzer viel von ihrer segensreichen Wirkung eingebüßt. Die gesetzgeberischen Maßnahmen waren trotz allem guten Willens nicht imstande, die Erbitterung der Landbevölkerung zu beseitigen. Schließlich entlud sich diese — auch in Schlesien — in der Revolution von 1848. Bauern, Gärtner, Häusler und die besitzlosen Schichten forderten Aufhebung aller Dienste und Abgaben, vor allem der Laudemien, Aufhebung der Jagdgerechtigkeit der Gutsherren auf den bäuerlichen Grundstücken, Rückgabe der alten Holz- und Weiderechte und höheren Lohn. Oft mußten die Gutsherren die Erfüllung dieser Forderungen schriftlich zusichern. An vielen Orten verweigerte man einfach die Zahlung der Abgaben und die Leistung der Dienste.

Auch im damaligen Kreise Strehlen ging es unruhig zu, wie aus verschiedenen Berichten und Veröffentlichungen des "Strehlener Kreis- und Stadtblattes" der Jahre 1848 und 49 entnommen werden kann. Schon im April 1848 schwirrten Gerüchte in und um Markt-Bohrau, daß die Insassen der Herrschaft dieses Ortes auf tumultuarische Weise dem Grafen von Sandresczky die schriftliche Erklärung abgerungen hätten, ihnen sämtliche Dominialabgaben und Leistungen für die Zukunft zu erlassen. Diesen Verlautbarungen tritt der Bevollmächtigte und Polizeiverweser der Herrschaft Markt-Bohrau, Schor, in Nr. 16 des genannten Strehlener Blattes energisch entgegen und erklärt diese für ein lügenhaftes Gerücht. Im Gegenteil, gibt er bekannt, die Ruhe ist in Bohrau, Peterkau und Schönfeld aufrecht erhalten worden. Auf diesen drei Gütern soll sich sogar nach der Darstellung des Schor ein Sicherheitsverein gebildet haben, dem sich dann noch zwei andere Ortschaften angeschlossen hätten. Dieser Verein hat sich auf eigene Kosten bewaffnet, um "jedem Andrange des herumziehenden, die Sicherheit des Eigentums gefährdenden Gesindels" mit Energie entgegenzutreten.

Böse muß es in Nieder-Olbendorf zugegangen sein, wo Frhr. von Vincke Rittergutbesitzer war. Dort war wohl ein gefährlicher Aufruhr ausgebrochen, so daß v.V. sogar Militär anfordern mußte. Über den Ort ist auch auf kurze Zeit der Belagerungszustand verhängt worden. Welches waren die Gründe dieser kriegerischen Maßnahme? Frhr. v.V. legt sie selber in einer Zeitungsentgegnung vom 3. Februar 1849 dar: Schon im Sommer 1848 war durch einen übelbeleumdeten Mann aus dem Dorfe die ganze Gemeinde Nieder-Olbendorf in Aufruhr versetzt worden. Es wurde die Auflösung des alten Kommunalverbandes verlangt, die Zahlung der Kommunallasten verweigert und alle Regierungsanordnungen in den Wind geschlagen. Das Ortsgericht war nicht mehr imstande, Ordnung zu halten, und legte sein Amt nieder. An den Gerichtsscholzen waren zwei Mord androhende Briefe gelangt, einem friedlichen, durch das Dorf gehenden Bauernknechte war absichtlich in großer Nähe ein ganzer Schrotschuß in den Rücken geschossen worden, so daß er lange in Lebensgefahr schwebte. Der Geist der Anarchie beherrschte also das ganze Dorf. Diese Umstände, die von V. längerer Abwesenheit (er war Abgeordneter) in seinem Dorfe vorfand, veranlaßten ihn, die Regierung um militärische Besatzung zu bitten, um noch größeren Exzessen vorzubeugen.

Es gab im Kreise Strehlen aber auch Orte, die weiter ihre Ruhe bewahrten und den Weg der Ordnung und Gesetzmäßigkeit keinen Augenblick verließen. So z.B. sprechen sich in dieser Beziehung die Rittergutsbesitzer Graf von der Recke Volmerstein auf Louisdorf, Fr. von Koppy auf Krain und Oberecke, Pohl auf Lorenzberg, H.B. von Koppy auf Eisenberg und Frhr. Hiller auf Karisch im Strehlener Kreis- und Stadtblatt vom 28.4.1848 sehr anerkennend über das Verhalten ihrer Untertanen in der kritischen Zeit aus. Am Schluß ihrer öffentlichen Bekanntmachung heißt es dann: "Im Hinblick auf solches Verhalten werden wir ihnen (den Untertanen) daher später um so freudiger diejenigen Erleichterungen gewähren, die die künftige Gesetzgebung anbahnen wird."

Ein ehrendes Beispiel von Besonnenheit, Ruhe und Ordnung hat die Gemeinde Ober-Schreibendorf gegeben. Sie erschien eines Abends bei ihrem Gutsherrn und anstatt ungehörige Forderungen vorzubringen, trat ein Gerichtsmann auf und sprach im Namen der Versammelten: "Wir sind nicht gekommen, etwas zu fordern, sondern in dieser Zeit der allgemeinen Aufregung, wo es häufig ungesetzliche Handlungen vorkommen und auch Ihnen große Gefahr drohen könnte, Ihnen zu erklären, daß wir bereit sind, Sie nach unsern Kräften zu schützen, wenn Gefahr von außen her drohen möchte, denn unter uns sind Sie sicher. Wir verlangen nichts, als was uns das Gesetz zuspricht, und vertrauen Ihnen, daß Sie uns das gern gewähren werden."

Wie stand es nun in dieser Beziehung in Gollschau zwischen Herrschaft und Untertanen? Nichts ist darüber bekannt. Da damals in der Kreisstadt Nimptsch noch keine Zeitung vorhanden war, so gibt es fast keine Quelle, die uns hierüber Aufschluß geben könnte. Die Gutsakten der Vergangenheit sind vernichtet oder in alle Winde zerstreut. Die einzige Hoffnung bleibt da wieder die Schulchronik von Gollschau. Ob die uns etwas aus der Revolutionszeit zu berichten vermag? Wenn wir dort nachschlagen, so ist zwar nicht weltbewegend was uns da aus dem Jahre 1848 erzählt wird, aber immerhin steht doch etwas darin. Das Wenige besagt, daß die Revolution damals doch nicht ohne Spur in unserem Dorfe vorübergegangen ist. Die kurze Eintragung hat sogar einen leicht humoristischen Einschlag und lautet: "Auch das Jahr 1848 ging an dem Orte nicht ohne die Spuren vorüber, die demselben charakteristisch gewesen sind. Untuhen und Verkehrsstörungen sind jedoch nicht vorgekommen. Arbeiter, die in Silbitz einen Teich schlemmten, zogen allerdings einmal unter Führung eines Gollschauer Arbeiters johlend und trunken durchs Dorf, ohne aber Schaden anzurichten. Von jedem Besitzer mit einem Geschenk bedacht, zogen die Trunkenen nach einem gehörigen Zechgelage im Dorfkretscham wieder ab." In Gollschau selbst verlief also das Revolutionsjahr 1848 scheinbar ohne viel Aufregung und Widersetzlichkeit. Es war ja auch kein Grund dazu vorhanden, denn die wichtigsten Ablösungen und Befreiungen der Bauern und der anderen Gutsuntertanen waren zwischen Herrschaft und Gutsuntertanen bereits geregelt; was noch in der Schwebe war, strebte aber einem für beide Teile befriedigenden Ausgange zu. Fremde Aufwiegler mögen nach Gollschau nicht gekommen sein. So gab es im Dorfe keinen gefährlichen Zündstoff, der irgendwie einmal zum Ausbruch kommen können.

3. Das Kriegs- und Cholerajahr 1866.

Den schweren und aufregenden Zeiten der Jahre 1847 und 1848 folgten ruhige Jahre. Der Bauer, der endlich unbeschränkter Herr auf seiner Scholle geworden war, widmete sich jetzt mit großem Fleiß der Bewirtschaftung seines Besitztums. Sein Wohlstand stieg. Geräume, massive Bauernhäuser, Stallungen und Scheuern wurden an Stelle der bisher unzureichenden Gebäude errichtet. Die Anfänge der Dorfverschönerung machten sich bemerkbar. Der Bauer begann seinen eigenen Wert zu fühlen und brachte dies auch nach außen hin zum Ausdruck. Dazu herrschte tiefer Friede im ganzen Lande, der den Aufstieg aller Stände und Berufe förderte. Der Dänische Krieg 1864 war in unserer Heimat nur wenig spürbar. Er spielte sich ja weit weg von ihr ab und war auch nur von ganz kurzer Dauer. Ob Männer aus Gollschau überhaupt an ihm teilgenommen haben, läßt sich nicht nachweisen.

Anders wurde es dagegen, als der Bruderkrieg zwischen Preußen und Österreich im Jahre 1866 ausbrach. Zwei starke Gegner standen einander gegenüber; denn die Zeit war reif für die große Entscheidung, wer das deutsche Volk zur Einheit führen sollte, Preußen oder Österreich. Diesen Krieg hat auch Gollschau zu fühlen bekommen. Die Bewohner haben verschiedentlich große Truppendurchmärsche gesehen und oft zum Teil schwere Einquartierungslasten zu tragen gehabt. Meistens waren es ostpreußische Regimenter, die durch Gollschau der feindlichen Grenze zu marschierten. Über deren Verhalten den Bewohnern gegenüber gibt uns wieder die Schulchronik Aufschluß. Dort heiß es: "Die biederen Ostpreußen behandelten anfänglich die Bewohner recht schroff, weil sie der Meinung waren, Österreicher vor sich zu haben und in Feindes Land zu sein, bis ihnen die Augen geöffnet wurden und sie mit vollen Tornistern und Packtaschen weiterrückten." Weiter haßt es dort noch: "Sonst aber waren die Soldaten alle sehr anständig und - angesichts der feindlichen Grenze- sehr ernst und religiös gestimmt."

Diesmal mußten auch Männer aus Gollschau in den Kampf ziehen. Es waren dies folgende: 1. Wilhelm Drescher, Sohn des Freigärtners Gottlieb Drescher; 2. Karl Weinbrich, Sohn des Freigärtners Gottlob Weinbrich; 3. August Vogt, Pachtschmiedemeister; 4. August Kriegler, aktiver Unteroffizier in der 12. Kompanie des Ostpreußischen Infanterie Regiments Nr. 43; Sohn des Schafmeisters Siegmund Kriegler in Gollschau. Dieser Bruderkrieg, der ja auch nur von kurzer Dauer war - schon im August 1866 wurde der Friede in Prag geschlossen - hat von den Gollschauer Kriegsteilnehmern keine direkten Opfer gefordert. Nur Wilhelm Drescher erlitt gleich in einer der ersten Schlachten eine so schwere Verwundung daß er bis zu seinem im Jahre 1930 erfolgten Tode Kriegsinvalide blieb. Aber ein anderes Gespenst drohte allen preußischen Soldaten mitten im Feindeslande, die Cholera. Diese große Gefahr zählte ja auch mit zu den Gründen, die Bismarck bewogen hatten, gleich nach der Schlacht bei Königgrätz dem König Wilhelm I. eindringlich nahe zu legen, mit Österreich wieder Frieden zu schließen. In seiner Denkschrift an den König warnte der Ministerpräsident ausdrücklich vor der Cholera im heißen August, vor dem Wassermangel und dem Pflaumenreichtum im Lande.

Aber diese Seuche war schon im preußischen Heere ausgebrochen und forderte unerbittlich ihre Opfer. Der Unteroffizier August Kriegler starb am 1. August 1866 im Hilfslazarett zu Nessakowitz in Mähren an ihr. Die beiden anderen Kriegsteilnehmer aus Gollschau, Weinbrich und Vogt, waren zwar wieder scheinbar gesund in ihre Heimat zurückgekehrt, waren aber schon mit Cholerakeimen behaftet und erlagen auch gleich nach ihrer Heimkehr dieser tückischen Krankheit, So fand die Cholera Eingang in Gollschau und wütete hier im Herbst 1866 furchtbar. In der kurzen Zeit vom 27. September bis 13. November starben an dieser Krankheit in Gollschau 24 Personen und zwar 17 Erwachsene und 7 Kinder.

Die Namen der Dahingerafften sind folgende:

1. Weinbrich Karl, ev., Sohn des Freistellenbesitzers Gottlob Weinbrich, starb am 27.9. im Alter von 25 Jahren und zwei Monaten.
2. Weinbrich Gottlob, ev., Freistellenbesitzer, starb am 30.9. im Alter von 52 Jahren und sechs Monaten.
3. Wildner Johann Gottlob, ev., Inwohner, starb am 3.10. im Alter von 47 Jahren und sieben Monaten.
4. Wildner Ernst Wilhelm, Sohn von 3, starb an 3.10, im Alter von neun Jahren, sieben Monaten.
5. Wildner Heinrich, ev., Sohn von 3, starb am 5.10. fünf Jahre und neun Monate alt.
6. Neumann Karl, kath., Steinarbeiter, starb am 5.10., 32 Jahre alt.
7. Neumann Anna Rosina, ev., Ehefrau von 6, starb am 5.10., 25 Jahre und 6 Monate alt.
8. Wildner Christiane, ev., unverehelicht, gest. am 6.10. im Alter von 24 Jahren und 4 Monaten.
9. Ruppert Johanna Eleonore, geb. Hampel, Ehefrau des Inwohners Gottlieb Ruppert, ev., gest. am 7.10., 51. J. alt.
10. Thielscher Johann Gottlieb, ev., Inwohner, gest. 7.10., 54 J. und 1 Monat alt.
11. Vogt August Julius, ev., Pachtschmiedemeister, gest. am 7.10. im Alter von 31 J. und 10 Monaten.
12. Kiese Johanna Karoline, ev., Tochter des Tagearbeiters Heinrich Kiese, gest. am 10.10. im Alter von 2 J., 2 Mon.
13. Wengler Johanna Elisabeth, geb. Drescher, ev., Witwe des weil. Ernst Wilhelm Wengler, Kretschambesitzer in Ratz, gest. 10.10. im Alter von 64 J. und 6 Mon.
14. Stephan Johann Karl, kath., Sohn des herrschaftlichen Wächters Wilhelm Stephan, gest. 11.10., 4 J. und 4 Monat alt.
15. Volkmann Tecla, kath., Ehefrau des Dienstknechtes August Volkmann, gest. am 12 10., 41 J. alt.
16. Ermler Johanna, kath., Tagearbeiterin, unverehelicht, gest. am 16.10., 64 J. alt.
17. Jäckel Anna, kath., Tochter des Tagearbeiters Franz Jäckel, gest. am 16.10., 3 J. und 6 Mon. alt.
18. Folgner Johanna Helene, geb. Schöde, ev., Ehefrau des Auszüglers Karl Benjamin Folgner, gest. 16.10., 57 J. alt.
19. Schilling Karl Gottlieb, ev., Inwohner, gest. 22.10., 54 J. alt.
20. Schaefer Susanne Helene, geb. Praße, ev., Ehefrau des Inwohners Gottlieb Schaefer, gest. 23.10., 57 J. alt.
21. Stiffel Anna, kath., Tochter des Tagearbeiters Amand Stiffel, gest. 5.11. im Alter von 6 J.
22. Ermler Franziska, kath., Ehefrau des Tagearbeiters Robert Ermler, gest. 6.1., 30 J. alt.
23. Stiffel Franziska. kath., Tochter von 21, gest. 9.11., 4 J. alt.
24. Schmidt Theresia, kath., Witwe des zu Pleßgut, Kreis Münsterberg, verstorbenen Inwohners Anton Schmidt, gest. 13.11. im Alter von 63 J.

Mit 13. November erlosch die Cholera in Gollschau, aber in der kurzen Zeit von 7 Wochen wurden 24 Menschenleben dahingerafft, und an manchen Tagen waren drei Leichen im Orte. Eigentümlich war es, daß die Seuche nur in Gollschau und hier wiederum unter der ärmeren Bevölkerung gewaltet hat, während die umliegenden Ortschaften von ihr verschont geblieben sind. Im Nachbardorf Gorkau ist damals nur ein einziger Todesfall an Cholera vorgekommen, desgleichen auch in Silbitz. In Gollschau wurden die an der Cholera verstorbenen sofort in eine Baracke geschafft, die zu diesem Zweck in der Sandgrube bei Gorkau errichtet worden war. Von dort aus wurden die Leichen möglichst schon am nächsten Tage auf dem Kirchfußstege nach Prauß zur Beerdigung befördert. Zur Pflege der Erkrankten war nach einem Schreiben des Grafen Stillfried auf Silbitz an den Rentmeister Jeschke in Prauß vom 4. Oktober 1866 von diesem eine Graue Schwester, mit Namen Fernanda, zur Verfügung gestellt worden. Jeschke forderte den Gutsinspektor Ruzitka und den Scholzen Kappler in Gollschau auf, eine Fuhre zur Abholung der Schwester nach Silbitz abzuschicken und für deren Unterkunft, Verpflegung und Schlafstelle zu sorgen. Bezüglich des Verhaltens den Erkrankten gegenüber gab er noch folgende Anweisung: "Wenn die Kranken nicht folgen, aus den Betten davonlaufen, so sind Wächter dahin zu stellen, sie werden für Geld ohne große Schwierigkeit wohl zu dingen sein, da sie weiter keinen so schweren Dienst haben, als acht zu geben, daß die Kranken nicht wieder, wie Wildner und Neumann, vor der Zeit aus ihren Wohnungen laufen, darin müssen sie Ernst gebrauchen."

Aber auch sonst war im Jahre 1866 im Bereich der beiden Kirchen (ev. und kath.) von Prauß, zu dem ja Gollschau heute noch gehört, die Sterblichkeitsziffer weit höher als in den ganzen Jahren vor- und nachher. Während z.B. in den Jahren 1860 bis 1880, das Jahr 1866 ausgenommen, in der ev. Parochie Prauß durchschnittlich im Jahre 60 Personen starben betrug 1866 die Sterbeziffer 122. In Gollschau allein starben in dem genannten Jahre 35 Evangelische oder 29 von H. der gesamten Todesfälle. Von den Katholischen waren in diesem Jahre in der ganzen Parochie 31 Personen gestorben, in Gollschau allein 16 oder 51,6 v. H. der Gesamtzahl. Auch die Kindersterblichkeit war 1866 in beiden Kirchspielen sehr groß. Unter den 122 Sterbefallen in der ev. Parochie waren 72 Sterbefälle von Kindern, also rund 60 v. H. In der kath. Kirche befanden sich unter den 31 Verstorbenen 18 Kinder oder 58 v. H. Die Kindersterblichkeit war 1866 auch in Gollschau sehr groß. Unter den 35 Gestorbenen der ev. Konfession waren 15, rund 43 v. H., und unter den 16 Verstorbenen des kath. Bekenntnisses befanden sich sogar 9 Kinder oder 56,2 v. H. Von den 153 Toten beider Kirchen entfielen auf Gollschau allein 51 oder 33 1/3 v.H.

4. Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71.

Nachstehende Männer aus Gollschau waren Kämpfer im Kriege gegen Frankreich:

1. Binke Ernst Wilhelm, geb. 26.2.1846 in Gollschau, evang., Sohn des Dreschgärtners Johann Gottlieb Binke und dessen Ehefrau Johanna Rosina, geb. Flechtner. B. war Steinarbeiter und Stellenbesitzer. Verheiratet gewesen mit Karoline Süßmann aus Reichau. Gestorben am 16.5.1905 in Gollschau im Alter von 59 Jahren.

2. Drescher Ernst Wilhelm, geb. am 21.1.1848 in Gollschau, evang., Sohn des Bauern Ernst Wilhelm Drescher und dessen Ehefrau Johanna Dorothea, geb. Eichner. Er blieb unverheiratet und starb am 9.10.1901 in Gollschau im Alter von 53 3/4 Jahren.

3. Flechtner Ernst Wilhelm, geb. am 11.7.1846 in Gollschau, evang., Sohn des Arbeiters Karl Flechtner und dessen Ehefrau Christiane, geb. Steiner. War von Beruf Mietgärtner und verheiratet mit Eleonore Thielscher. Gestorben 1888 im Alter von 42 Jahren.

4. Kappler Wilhelm Adolf Emil, geb. an 2.2.1847 in Gollschau, Sohn des evang. Bauern Karl Wilhelm Kappler und dessen Ehefrau Christiane Karoline, geb. Adolf. War Bauer und verheiratet mit Ida Berta Kappler aus Schönfeld, Kr. Strehlen. Ist gestorben am 14.5.1911, 64 J. alt.

5. Rother Gottfried, geb. am 5.11.1844 in Gollschau, evang., Sohn des Dreschgärtners Gottlob Rother und dessen Ehefrau Johanna Helene, geb. Bischof. War Stellenbesitzer m Gollschau und verheiratet mit Karoline Müller aus Dobergast. Gestorben am 4.8.1904 im Alter von 59 J. und 9 Monaten.

6. Schuster August, geb. am 29.8.1845 in Gollschau, evang., Sohn des Freigärtners Karl Schuster und dessen Ehefrau Dorothea, geb. Moese. War Stellenbesitzer und verheiratet mit Pauline Stiller aus Nimptsch. Gestorben 29.12.1908, alt 63 J. und 4 Monate.

7. Wengler Ernst Wilhelm, Unteroffizier beim Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment. Sohn des gewesenen Kretschambesitzers Wengler in Ratz und dessen Ehefrau Johanna Elisabeth, geb. Drescher, zuletzt wohnhaft in Gollschau. Starb den Heldentod bei Le Bourget am 30. November 1870 im Alter von 29 J. und 8 Monaten.

Quellen: Kirchenbücher der Kirchen (evang. und kath.) in Prauß.


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